Bahati Venus im Interview. Location: Eden Bar Wien

Reality-Star Bahati Venus: „Ich darf wütend sein“

Licht und Schatten

9 Min.

© Sascha Van Der Werf

Tränen, als sie die Redaktion kontaktiert, Tränen im Interview. Trotz Schattenseiten: Reality-TV-Shows reizen Bahati Venus. Die WIENERIN nimmt sich dem Thema an.

Solidarität und Konsequenzen – das hätte sie sich gewünscht, sagt Bahati Venus. Rückblickend. Als sie in einem Beautysalon das WIENERIN-Interview mit der promovierten Philosophin und Autorin Amani Abuzahra las („Ein Ort namens Wut“, Kremayr & Scheriau), habe ihr das einen neuen Blickwinkel eröffnet: „Das war neu für mich: Ich darf wütend sein.“ Weil sie mit Rassismus konfrontiert war – und ist.

Eine Kandidatin der Reality-TV-Show „Forsthaus Rampensau“ (ATV) verwendete in ihrer Gegenwart das „N-Wort“. Der Kuchen im Backrohr sollte nicht „N…-schwarz“ werden, warnte sie. Bahati Venus protestierte sofort, nicht impulsiv, sondern besonnen. Verstanden fühlte sie sich aber nicht. Und außerdem mit ihren Emotionen allein gelassen, erzählt sie unter Tränen, als sie uns kontaktiert.

Rassismus lehnen wir in der Redaktion strikt ab. Unter allen Umständen. Und wir wollen den Reality-Star treffen, zuhören und die Hintergründe verstehen.

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Bahati wird zum Reality-Star

Bahati Venus trat vor gut zehn Jahren in die Öffentlichkeit – an der Seite von Richard Lugner, der sie fortan „Kolibri“ nannte. An seiner Seite wurde sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Wir schnuppern in das Reality-Format „Forsthaus Rampensau“ und sehen Menschen, die sich rund um die Uhr filmen lassen. Auch im Badezimmer, auch schnarchend im Schlaf.

Challenges gibt es ebenso: Beim „Kuh-Fladern“ lotsen die Kandidat:innen einander durch einen Elektrozaun-Parcours. Das geht nicht ohne Peinlichkeiten. Wichtige Fragen drängen sich auf: Worin liegt die Motivation, Kandidat:in werden zu wollen? Und wie kann es sein, dass der Konsum der ersten Folge rein dem Recherchezweck untergeordnet war und wir uns in der zweiten Folge plötzlich fragen: Werden Cathy und Satans Bratan ein Paar? Wie kippt man da rein?

Wir beschließen, den ambitionierten Versuch zu unternehmen, das weltweit erfolgreiche Phänomen Realityshow verstehen zu wollen. Annähernd zumindest. Dafür möchten wir hier Bahati Venus porträtieren. Wir legen die Karten offen auf den Tisch und erklären Bahati Venus unser Vorhaben: Sie bekommt Raum, ihren Appell gegen Rassismus an die Öffentlichkeit zu richten – das ist auch ganz in unserem Sinne –, aber wir möchten auch ihre Biografie beleuchten. Sie stimmt zu.

„Ich bin aufgeregt“, sagt Bahati Venus, als sie die Eden Bar betritt. Wir dürfen das geschichtsträchtige Lokal im ersten Bezirk, in das die Nachtluft schon Stars wie Billy Wilder oder Romy Schneider hineinwehte, zwei Stunden für uns haben. „Ist das Kleid okay?“, fragt sie und zupft an ihrem Mini. In einer ihrer Taschen erspähen wir pinke Schuhe, die diesmal aber nicht zum Einsatz kommen.

„Ich habe mich schminken lassen“, entgegnet sie und fragt höflich, ob man bitte MAC Cosmetics erwähnen könnte, „die sind nett, die freuen sich“. Wir setzen uns auf das rote Samtsofa. Der Fotograf stellt ein grelles Licht auf: Während wir die Augen zusammenzwicken, nimmt sie kaum Notiz davon.

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Wie bist du aufgewachsen?

Bahati Venus: Meine Mama ist Wienerin, eine Sprachpädagogin, mein Papa kam aus Kenia nach Österreich – für
die Musik. Das konnte er aber nicht hauptberuflich machen, er war Hilfsarbeiter und spielte an den Wochenenden. Er ist leider schon gestorben. Ich habe zwei ältere Brüder und bin in der Großfeldsiedlung aufgewachsen.

Warst du das Nesthäkchen?

Ja, meine Eltern haben sich so gefreut, dass ein Mädchen gekommen ist, dass sie den Christbaum rosa und mit Ildefonso geschmückt haben. Wenn ich an meine Schulzeit denke: Ich war immer anders. Meine Tochter ist 17, besucht ein Gymnasium in Wien, ihre Klassen sind heute schon diverser.

Hast du dich diskriminiert gefühlt?

Ja (ihre Augen füllen sich mit Tränen). Ich habe nach der Schule immer auf einen Bus gewartet, wo nicht so viele Kinder drinnen waren, weil oft Bemerkungen über meine Hautfarbe gekommen sind. Ich habe versucht, dem zu entgehen.

Wie warst du als Kind, was wolltest du werden?

Ich war schüchtern, aber ich habe früh angefangen, Ballett zu tanzen, und wollte in einem Zirkus arbeiten (lacht).

Welche Ausbildung hast du gemacht?

Ich wollte nach der Fachschule für Sozialberufe Krankenschwester werden. Aber ich wurde mit 18 schwanger. Ich war sehr verliebt, aber er hat sich während der Schwangerschaft getrennt. Also bin ich zunächst bei meinen Eltern geblieben, sie waren eine große Hilfe.

Meine Ausbildung konnte ich als Alleinerzieherin nicht mehr fertigmachen; ich war dann Ordinationsassistentin, im Verkauf und später in einem Medienhaus tätig. Aktuell arbeite ich für eine Digital-Media-Agentur in der Wiener Innenstadt.

Dein erster Schritt in die Öffentlichkeit war die Beziehung mit Richard Lugner. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Bei einer Veranstaltung im „Hello Kitty“-Store in der Lugner City. Ich bin als Fangirl zu ihm hin: „Oh mein Gott, Herr Lugner, wir müssen ein Foto machen.“ Wir haben Nummern ausgetauscht und als er das erste Mal angerufen hat, war ein Freund dabei, der sofort gesagt hat: „Du musst dich mit ihm treffen, das ist deine Chance.“

Dann hat alles seinen Lauf genommen, nach dem Filmball habe ich einen Anruf bekommen: „Gratuliere, du
bist auf der Titelseite von ,Heute‘.“

Warst du verliebt?

(Bahati holt tief Luft) Er hat zu der Zeit gewisse Bedürfnisse abgedeckt.

Wie war der Start in der Öffentlichkeit?

Aufregend. Ich habe da schon Musik gemacht: vor allem Rap, weil ich da viele Messages reinpacken kann. Plötzlich war ein Ansturm auf meine Youtube-Videos, aber es kamen auch sehr viele negative Kommentare. Ich war noch unerfahren, in einem Video war auch meine Tochter zu sehen.

Das würde ich nie mehr machen (viele frühere Videos hat sie gelöscht, Anm.). Ich halte meine Tochter zum Großteil raus, sie möchte das auch selber. Ich musste lernen: Wo Licht ist, ist auch Schatten.

Wie blickst du auf das Jahr mit Richard Lugner zurück?

Ich finde es spannend, wie über die Frauen, die mit ihm unterwegs sind, berichtet wird. Sie stehen in keinem guten
Licht.

Warum?

Es wird davon ausgegangen, dass sie um jeden Preis in der Öffentlichkeit stehen möchten und Geld das Wichtigste ist. Ich möchte nicht darauf reduziert werden.

Du hast mehrere Reality-TV-Formate gemacht, das erste war „Adam sucht Eva“. Was hast du dort gefunden?

Das war ein Nacktdating-Format. Ich habe mir gedacht: Ich fühle mich in meinem Körper wohl und bin Single, vielleicht wurden wirklich Männer ausgesucht, die ich interessant finde. Das hat aber nicht funktioniert (lacht).

Ist das ein wichtiges Thema für dich: den Mann zu finden?

Ganz wichtig. Meine Mutter ist eine starke, unabhängige Frau, sie fragt sich wohl, was da nicht so gut gelaufen sein könnte. Ich wollte immer heiraten – und ich kann mir auch vorstellen, noch einmal Mama zu werden. Marzio und ich sind viereinhalb Jahre zusammen, da kann man schon Nägel mit Köpfen machen. Ich habe ihm ein Ultimatum gestellt (lacht).

Was sagt deine Mama zu deinem Leben in der Öffentlichkeit?

Sie hat sich damit arrangiert.

Deine Tochter war ein Volksschulkind, als du Kandidatin bei „Adam sucht Eva“ warst. Wie hast du ihr das erklärt?

Ich habe ihr offen gesagt, dass das ein Format ist, wo man ohne Kleidung ist – und dass mir Fernsehen großen Spaß macht und das auch Geld bringt. Ich glaube nicht, dass es für sie schlimm war, mich so zu sehen. Ich müsste sie nochmal fragen.

„Forsthaus Rampensau“ interessiert sie nicht. Sie ist sehr selbstständig und klug, irgendwas muss ich
richtig gemacht haben.

Als du in der Sendung im Einzelinterview auf die rassistischen Bemerkungen angesprochen wurdest, hast du geweint. Hast du daran gedacht, dass Drama und Tränen bei Reality-Formaten prinzipiell zum Konzept gehören könnten?

Ich glaube, dass es sich immer mehr dazu entwickelt: je mehr Drama, umso besser. Das macht mir ein bisschen Angst.

In Deutschland gibt es jetzt ein neues Format, bei dem Reality-Stars gegeneinander boxen („Fame Fighting“, Anm.) Bei Rassismus ist für mich aber klar eine Grenze überschritten. Ich frage mich, inwieweit solche Formate ein Spiegelbild unserer Gesellschaft sind.

Es hat mich erschreckt, dass das „N-Wort“ in Österreich noch gang
und gäbe ist. (Anm.: ATV veröffentlichte folgende Erklärung: Tamara war schnell einsichtig, dass diese Aussage unangebracht war und hat sich aufrichtig dafür entschuldigt. Alle haben ihre Lektion daraus gezogen, die Bewohnerinnen und Bewohner haben Tamaras Einsicht honoriert. Die Szene zeigt zudem sehr gut, dass konstruktiver Diskurs dem österreichischen Alltagsrassismus entgegenwirkt.)

Du möchtest eine eigene Show. Was wäre das?

Ich kann mir vorstellen, mein Leben begleiten zu lassen. Die nächsten Schritte: die Hochzeit, der Umzug nach Monaco, wie meine neue Musik entsteht. I’m not crazy!

Wieso sagst du das?

Weil es ein bisschen exhibitionistisch klingt. Es macht mir einfach Spaß.

Realityshows werden nachbearbeitet: mit Schnitten, Slow Motion, Untertiteln et cetera. Du hast nicht unter Kontrolle, was gesendet wird. Warum setzt du dich dem aus?

Ich würde das Wort „aussetzen“ nicht verwenden. „Die Geissens“ (Reality-Format, Anm.) haben es gescheit gemacht: Die haben eine eigene Produktionsfirma.

Gibt es andere Formate, wo du gerne Kandidatin wärst?

Die Königsklasse ist der „Dschungel“ (lacht).

Was ist reizvoll daran?

Die Reichweite.

Du hast uns beschrieben, wie sehr dich der Rassismus, mit dem du dich konfrontiert gefühlt hast, verletzt. Ist deine Offenheit für weitere Shows dennoch geblieben?

Ja. Mich würde aber ein Format in Deutschland mehr reizen.

Das Gespräch lässt Bahati Venus keine Ruhe: Immer wieder schickt sie nach dem Interview Nachrichten, in denen sie beispielsweise Screenshots aus Social Media teilt, worin man sich lustig über sie als Kandidatin macht beziehungsweise darüber, wie sehr es sie schmerzt, dass das „N-Wort“ verharmlost wird.

Und Messages, in denen sie erklärt, wie traurig sie es findet, dass beim Thema Rassismus bis heute nicht jenen
zugehört wird, die es betrifft. Eine Nachricht bringt uns außerdem zum Nachdenken, weil es die Tragweite andeutet: „Für mich geht diese Geschichte leider weiter.“

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