Billi Thanner über Lichtinstallation bei der Votivkirche: “Licht kennt keine Trennung”
Die Votivkirche erstrahlt als Kunstprojekt
© Vertigohyeah
Ein Blick nach oben lohnt sich: Mit „Unendlichkeit des Lichtes“ realisiert die Künstlerin Billi Thanner eine neue monumentale Lichtskulptur auf den Türmen der Votivkirche.
Nach weithin beachteten Arbeiten wie unter anderem der „Himmelsleiter“ kehrt Thanner damit an einen der markantesten Sakral- und Stadträume Wiens zurück. Die 28 × 6 Meter große Aluminiumskulptur in Form des Symbols der Unendlichkeit setzt eine horizontale Lichtlinie zwischen die vertikalen Türme der neugotischen Kirche. Ein naturwissenschaftlicher Bezugspunkt bildet die Zeit, die ein Lichtstrahl von der Sonne zur Erde benötigt: acht Minuten. Thanner übersetzt diese Konstante in ein räumliches Bild für Kontinuität, Balance und Verbindung – bewusst ohne religiöse oder ideologische Überhöhung.
Die Realisierung der Skulptur war ein komplexer Prozess, der über zwei Jahre Planung und Entwicklung erforderte. Die “Unendlichkeit des Lichtes” wurde als unabhängiges Projekt realisiert, getragen von privaten Sponsor:innen und Unterstützer:innen. Sie verzichtete – wie bei früheren Arbeiten – auf ein persönliches Honorar sowie auf öffentliche oder kirchliche Förderungen. Die Skulptur könnt ihr noch bis 1. August 2026 bestaunen.

Billi Thanner zu “Unendlichkeit des Lichtes” im Interview
Die liegende Acht gilt als Symbol für Unendlichkeit. Was hat Sie daran interessiert, dieses Zeichen in eine großformatige Lichtskulptur zu übersetzen?
Billi Thanner: Mich hat die Idee fasziniert, ein Symbol, das für Zeitlosigkeit, für Verbundenheit und für den Fluss allen Seins steht, sichtbar in den Himmel zu schreiben. Unendlichkeit des Lichtes – Als Lichtskulptur über den Türmen der Votivkirche wird sie zu einem Gedanken, der leuchtet: über Begrenzungen hinaus, über den Tag, über die Nacht, über uns.
Nach der Himmelsleiter am Stephansdom arbeiten Sie erneut im öffentlichen Raum Wiens, diesmal an der Votivkirche. Was macht diesen Ort für Ihr neues Projekt besonders geeignet?
Die Votivkirche steht an einem Ort der Geschichte, der Erinnerung, aber auch des Wandels. Ihr neugotischer Stil trägt eine vertikale Kraft in sich, die sich wunderbar mit der Horizontalität meiner Skulptur verbindet. Es entsteht eine neue Form von Verbindung – zwischen Architektur und Himmel, zwischen Geschichte und Gegenwart.
Sie betonen, dass Ihre Arbeiten ohne religiöse oder ideologische Botschaft auskommen sollen. Wie passt das mit der Votivkirche (oder damals Stephansdom) zusammen?
Ich arbeite mit Räumen, die Bedeutung tragen. Die Kirche ist ein Ort, der Fragen stellt: nach Herkunft, nach Sinn, nach Zukunft. Meine Kunst antwortet nicht, sie lädt ein. Sie lädt dazu ein, zu fühlen, zu schauen, sich selbst ins Verhältnis zu setzen. Das geht über Religion hinaus – es berührt das Menschsein selbst.
In Ihrem Konzept spielt die physikalische Konstante „acht Minuten Sonnenlicht zur Erde“ eine zentrale Rolle. Wie kam es zu diesem wissenschaftlichen Bezugspunkt?
Ich arbeite oft an der Schwelle zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem. Die acht Minuten, die Licht von der Sonne zur Erde braucht, haben mich schon lange fasziniert – sie verbinden Zeit, Raum und Energie auf poetische Weise. Diese Konstante erinnert uns daran, dass das, was uns erreicht, bereits Vergangenheit ist – und dennoch in der Gegenwart wirkt. Das wollte ich sichtbar machen.
Sie haben das Projekt ohne öffentliche Förderungen realisiert und auf ein Honorar verzichtet. Warum war Ihnen dieser unabhängige Zugang wichtig?
Freiheit ist in meiner Arbeit zentral. Wenn ein Werk wie dieses entstehen will, dann muss es manchmal aus eigener Kraft geschehen. Natürlich ist es ein Risiko – finanziell, organisatorisch, emotional. Aber gerade in dieser radikalen Eigenverantwortung liegt eine tiefe Kraft. Es ging mir nie um Besitz, sondern um Wirkung. Um das, was bleibt – im Blick der Menschen, im Gedächtnis der Stadt! Gerade deshalb war es mir wichtig, weder öffentliche noch kirchliche Gelder in Anspruch zu nehmen.
Ihre Arbeiten stellen häufig Fragen nach gesellschaftlichem Miteinander. Welche Reaktionen oder Diskussionen erhoffen Sie sich von der neuen Installation?
Ich hoffe auf Stille – und auf Staunen. Auf Gespräche zwischen Menschen, die sich vielleicht sonst nicht begegnen würden. Die Skulptur ist kein Statement, sondern ein Raum. Ein Raum über der Stadt, den jede:r anders liest. Vielleicht als Hoffnung, vielleicht als Erinnerung, vielleicht einfach als Schönheit. Was auch immer gesehen wird – es soll verbinden, nicht spalten. Es soll Licht geben. Licht kennt keine Trennung!