Hand hält Kaffeetasse mit der Aufschrift „busy introverting“

Persönlichkeit ändern: So wirst du geselliger und gelassener

Eine andere sein: Geht das?

7 Min.

© Unsplash/Elena Koycheva

Lange gingen wir davon aus, dass die eigene Persönlichkeit vor allem im Kindes- und Jugendalter geprägt wird – Persönlichkeit ändern, witziger werden, geselliger oder gar extrovertiert – das geht nicht, oder? Doch, das muss kein Traum bleiben. Laut der Persönlichkeitspsychologin Eva Asselmann von der HMU Health and Medical University bei Potsdam entwickeln sich Menschen ihr ganzes Leben lang – sogar bis ins hohe Alter.

In ihrem neuen Werk „Woran wir wachsen. Welche Lebensereignisse unsere Persönlichkeit prägen und was uns wirklich weiterbringt“ präsentiert die Professorin Ergebnisse aus ihrer eigenen Forschung. Für diese hat sie die Daten von tausenden Menschen ausgewertet, durchaus mit überraschenden Ergebnissen. Beispielsweise lässt uns die Geburt des ersten Kindes – ob mit oder ohne Doula – weit weniger reifen als der erste richtige Beruf. Hättest du das gedacht?

Persönlichkeit ändern: Wechselspiel aus Genen und Umwelt

Nicht nur die Gene beeinflussen unsere individuelle Persönlichkeit, auch unsere Umwelt spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, wer wir sind. Da sich unser Umfeld immer wieder verändern kann, können wir auch unsere Persönlichkeit dementsprechend verändern, beginnt die Autorin ihr Buch: „Das Ganze ist ein Wechselspiel: Unsere Umwelt prägt uns, und wir prägen sie – durch unser Denken, Fühlen und Verhalten.“

Doch welche Faktoren definieren unsere Persönlichkeit und wie wirken sich einschneidende Erlebnisse auf unsere Persönlichkeit aus? Laut Asselmann seien dabei eine Vielzahl an Eigenschaften zu berücksichtigen. Besonders prägend: fünf grundlegende Persönlichkeitsmerkmale, die sogenannten „Big-Five“. Emotionale Stabilität, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Offenheit für Erfahrungen formen der Psychologin zufolge unsere Persönlichkeiten.

Anders werden: Die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale kurz erklärt

Wie wir bei den Big-Five aufgestellt sind, beeinflusst unsere psychische sowie körperliche Gesundheit und wie wir mit bestimmten Lebensereignissen umgehen. Um herauszufinden, wo man selbst auf den Skalen der Big-Five steht, hat die Persönlichkeitspsychologin in ihrem Buch Fragebögen für ihre Leser:innen eingebaut.

Kann ich meine Persönlichkeit ändern? Frau betrachtet ihr Gesicht in kleinem, rundem Spiegel
© Unsplash/Elisa Photography

1. Instabile Emotionalität/Neurotizismus

Bin ich emotional stabil, gelassen und selbstsicher? Oder eher angreifbar und unsicher?

2. Extraversion

Bin ich gesellig und lebhaft? Oder brauche ich viel Zeit für mich alleine, um mich von Reizüberflutungen wie Menschenansammlungen zu erholen?

3. Gewissenhaftigkeit

Bin ich zuverlässig, zielstrebig, entschlossen und ordentlich? Oder nehme ich auch mal Fehler in Kauf und bin weniger achtsam?

4. Verträglichkeit

Wie verhalte ich mich im Umgang mit anderen? Gehe ich freundlich und zuvorkommend mit anderen um? Oder stehen Wettbewerb und Durchsetzungskraft im Fokus?

5. Offenheit für Erfahrungen

Wie aufgeschlossen bin ich? Bin ich eher neugierig, erfinderisch und einfallsreich? Oder stärker von Vorsicht geprägt und ziehe Gewohntes dem Neuen vor?

Jeder von uns hat alle Persönlichkeitsmerkmale, doch jeder lebt sie anders aus

„Die großen Fünf sind sogenannte ‚dimensionale Merkmale‘, was bedeutet, dass sie bei einzelnen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Wir alle haben sie, doch leben wir sie in unterschiedlichem Grad“, schreibt Asselmann. Dabei betont sie: Es geht nicht um die Abgrenzung bestimmter Typen zueinander, sondern um die Ausprägung verschiedener Merkmale. Menschen bewegen sich auf einer Skala – es gäbe also nicht die Introvertierten auf der einen und die Extravertierten auf der anderen Seite.

Woran die Persönlichkeit reift und wie wir sie ändern

Asselmann gibt einen Einblick, wie sich die Persönlichkeit eines Menschen im Laufe des Lebens verändert – durch die erste Beziehung, den ersten Job, die Corona-Pandemie oder den Tod eines geliebten Menschen. Dabei geht sie auf verschiedenste Beispiele mit spannenden Ergebnissen ihrer Studien ein. „In der Jugend, ähnlich wie in der Kindheit, finden sich schwächer ausgeprägte durchschnittliche Persönlichkeitsveränderungen als im Erwachsenenalter“, so Asselmann.

Grund für diese Persönlichkeitsreifung sei das sogenannte „soziale Investitionsprinzip“. Laut diesem verändern sich Menschen bei einschneidenden Ereignissen, weil sie neue soziale Rollen einnehmen: „Das junge und frühere mittlere Erwachsenenalter ist durch eine Vielzahl an Lebensereignissen, Übergängen und Neuanfängen geprägt, die unseren Alltag auf den Kopf stellen. Wir fangen an zu arbeiten, führen die erste ernst zu nehmende Beziehung, heiraten oder bekommen Kinder. Bedingt durch diese Entwicklung nehmen wir neue soziale Rollen ein.“

Zeichnung eines Menschen mit Schlüsselloch im Kopf samt passendem Schlüssel
© Shutterstock

Neue Rollenanforderungen verändern die Persönlichkeit

Aber warum ist der Einstieg ins Berufsleben beispielsweise ein einschneidenderes Erlebnis als die Geburt des ersten Kindes? Die Antwort ist auch hier: das „soziale Investitionsprinzip“. Der erste Berufseinstieg macht aus einem Menschen eine:n Arbeitnehmer:in. Mit dieser konkreten Rolle gibt es bestimmte Rollenanforderungen wie etwa Gewissenhaftigkeit, Pünktlichkeit, Disziplin und Fleiß.

„Weil wir bestehen wollen, begegnen wir neuen Anforderungen erhobenen Hauptes: Im Handumdrehen verhalten wir uns verträglicher und gewissenhafter, schließlich haben wir keine andere Wahl“, so Asselmann. „Wenn wir das über Wochen, Monate oder gar Jahre durchziehen, verändert sich unsere Persönlichkeit.“

Natürlich ergeben sich auch neue Anforderungen, wenn man ein Kind bekommt. Jedoch sind die Anforderungen im Berufsleben klarer, sagt Asselmann. Dort bekämen die Menschen deutlicheres Feedback als vom Nachwuchs – zumindest solange dieser noch nicht reden kann.

Besonders spannend ist dazu eine Schweizer Studie, die bei 884.328 Jugendlichen aus 62 verschiedenen Ländern und Kulturen durchgeführt wurde: Egal ob Peru, Philippinen oder Polen – überall zeigte sich eine Zunahme in Sachen Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, emotionaler Stabilität und sozialer Dominanz im Laufe des Reifeprozesses. „Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die Persönlichkeit junger Erwachsener vor allem durch neue Rollen reift.“

Persönlichkeit ändern: Je spezifischer, desto besser

Wie aber können wir dieses Wissen nutzen, um etwas an der eigenen Persönlichkeit zu verändern? Wie kann man offener oder emotional stabiler werden? Die Persönlichkeitspsychologin rät, Dinge sukzessiv in den Alltag zu integrieren, die andere Persönlichkeiten auszeichnen.

Wer beispielsweise extravertierter werden möchte, solle sich konkret Dinge vornehmen, die extravertierte Personen auszeichnen, wie eine Studie aus den USA zeige: Bei dieser wurden Teilnehmende angehalten, sich jede Woche Ziele aufzuschreiben, um ihrer Wunschpersönlichkeit schrittweise näherzukommen.

Wichtig sei, wie man die eigenen Ziele ausformuliert: „Es zeigte sich, dass die Ziele der Teilnehmenden nur dann wirksam waren, wenn sie konkret formuliert wurden.“

Wer also extravertierter werden möchte, sollte sich nicht nur vornehmen, offener zu sein, sondern konkret auf spezifisches Verhalten eingehen wie: „Am Dienstag lade ich meinen Schwarm zum Essen ein“ oder „Diese Woche gehe ich dreimal am Abend mit Freund:innen aus“.

Selbstliebe vs. Selbstoptimierung: Ein schmaler Grat, wenn man sich ändern will

Asselmann warnt davor, sich bei dem Wunsch nach Persönlichkeitsveränderung zu übernehmen. Zuerst gilt es die Gründe für den Änderungswunsch zu hinterfragen: „Die Motivationen für eine Selbstveränderung sind breit gestreut. Wo hört persönliches Dazulernen auf und wo fängt problematische Selbstoptimierung an?“

Nicht versuchen, krampfhaft in eine Schublade zu passen – Lernbereitschaft sei laut Asselmann in Ordnung, exzessive Selbstoptimierung eher kritisch. Die Autorin rät: Nicht an der eigenen grundlegenden Wesensart rumschrauben, sondern sich lieber Fragen stellen, wie: Warum ist es notwendig, offener, gewissenhafter, extravertierter, verträglicher oder emotional stabiler zu sein? Was wäre im Alltag konkret anders, wenn wir selbst ganz anders wären? Was liefe besser und was schlechter?

Darum bitte nicht übertreiben. Es ist gut, dass es eine große Vielfalt an Persönlichkeiten gibt – daraus entsteht ein großer Mehrwert für unsere Gesellschaft. Schließlich wäre es ziemlich langweilig, wenn alle Menschen auf der Welt gleich wären.

Buch-Tipp:

Buchcover von: „Woran wir wachsen“ von Eva Asselmann © ARISTON Verlag
Woran wir wachsen von Eva Asselmann © ARISTON Verlag

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