Sebastian Fitzek lächelt in die Kamera.

Sebastian Fitzek über „Die Therapie“: „Man kann nicht zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden“

Serienstart auf Prime Video

7 Min.

©Marcus Höhn

Sebastian Fitzek gilt als einer der erfolgreichsten Autoren im deutschsprachigen Raum: Fast jährlich erscheint ein neuer nervenaufreibenden Psychothriller, stets mit einem unglaublichen Twist und Spannung auf jeder Seite. 2006 erschien „Die Therapie“, ein Roman über einen Vater, dessen Tochter verschwunden ist. Ein Thriller über die Liebe, und welche Schattenseiten sie mit sich bringen kann. Eine zum Teil von wahren Begebenheiten inspirierte Geschichte über die schmale Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit.

Nach 17 Jahren wurde das Buch von Fitzek nun von Prime Video zur Serie verfilmt. In den Hauptrollen sehen wir darin unter anderem Stephan Kampwirth, Nachwuchstalent Helena Zengel, Trystan Pütter und Emma Bading. Mit der WIENERIN hat Bestseller-Autor Sebastian Fitzek über den Entstehungsprozess der Serie, seine Inspirationen und zukünftige Projekte gesprochen.

Triggerwarnung: Im nachfolgenden Artikel werden psychische Krankheiten sowie Suizid thematisiert.

Helena Zengel spielt neben Stephan Kampwirth und Andrea Osvart in "Die Therapie".
Helena Zengel spielt neben Stephan Kampwirth und Andrea Osvárt in „Die Therapie“. © Prime Video, Britta Krehl
Warum schreibst du so gerne Psychothriller?

Ich habe nicht darüber nachgedacht und habe zum Glück auch niemanden gefragt. Wenn ich vorher gefragt hätte: „Wollt ihr einen Psychothriller veröffentlichten?“, hätten alle Nein gesagt. Und zwar mit dem Argument, dass sie sich einen Thriller, der in Deutschland spielt, nicht vorstellen könnten.

Zum Glück habe ich das nicht gemacht, sondern einfach eine Geschichte geschrieben. Und dass das dann ein Psychothriller ist, wusste ich erst durch die Ablehnungen. Davor habe ich mir über das Genre keine Gedanken gemacht. Man muss immer etwas schreiben, was einem unter den Nägeln brennt. Man kann nicht sagen: „Ah, das könnte ein guter Twist sein, das schreibe ich mal.“

Was inspiriert dich zu deinen Geschichten?

Es gibt verschiedene Themen die sich durch meine Romane ziehen, beispielsweise ein Vater, der berufstätig ist und das Gefühl hat, nicht genügend für seine Kinder da zu sein, aber gleichzeitig seinen Leidenschaften nachgehen will. Was jetzt auch bei dem neu ausgearbeiteten Seriencharakter Dr. Roth vorkommt. Das nächste Thema ist, dass man sich selbst nicht sicher ist, was passiert. Dass man selbst nicht zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden kann.

Das habe ich mit einem sehr guten Freund leider erlebt, der an einer psychischen Krankheit, an den Nebenwirkungen dieser Krankheit, mittelbar gestorben ist. Von ihm habe ich gelernt, dass das Hauptproblem nicht in den Phasen war, wo er sich selbst für einen Schriftsteller hielt, sondern die Probleme kamen, wenn er aufgewacht ist.

Das stelle ich mir das Grausamste vor. Ich kann immer nur über Dinge schreiben, die mich als Familienvater und als Mensch in irgendeiner Art und Weise tangieren.

Wie wichtig ist es, realistische Geschichten zu erzählen, und Steckt ein Fünkchen Wahrheit in „Die Therapie“?

Ich werde immer inspiriert von wahren Geschichten. Was aber Thriller betrifft: Die zeitliche Verdichtung, dass ein und derselben Person in diesem kleinen Ort immer wieder etwas passiert, dass die immer mit der Vergangenheit konfrontiert wird, kurz davor ist zu sterben… Das ist sehr unrealistisch. Das Einzelne was da passiert kann sehr wohl sein. Nehmen wir beispielsweise die eine Szene, in der Anna Spiegel erzählt, dass sie ihren Hund getötet hat. Eine Szene von der ich sowieso weiß, dass sie sehr polarisierend sein wird. Die basiert aber auf einer wahren Begebenheit aus dem Tagebuch der Laurie Schiller, einer schizophrenen Patientin, die genau das geschildert hat.

Die gesagt hat, dass sie ihren Hund ermordet hat – und das Schlimmste für sie war, dass sie Jahre später erkannte, dass sie nie einen Hund hatte. Diese Szene ist auch für mein Buch „Die Therapie“ so wichtig. Sie zeigt die Geisel der Krankheit Schizophrenie. Sie zeigt, dass man sich unwert fühlt. Deshalb ist auch die Suizidrate von Schizophreniepatient:innen so hoch: Man hat jemanden – sich selbst – der einem ständig einredet, dass man es nicht wert ist, auf der Welt zu sein. Der sagt, man ist beispielsweise Tierquäler:in, obwohl man es gar nicht ist.

Stephan Kampwirth will als Vater in der Serie die Wahrheit über das Verschwinden seiner Tochter herausfinden.
© Prime Video, Britta Krehl
Warum sollte „Die Therapie“ eine Serie und kein Film werden?

Ich glaube der Psychothriller ist komplex. Es gibt einmal die äußere Handlung, dass ein Vater seine Tochter sucht. Noch viel wichtiger ist aber die Reise nach innen, die Psychologie und das Entlarven des Geheimnisses, das jede einzelne Person mit sich trägt. Ich glaube, in der Serie hat man die Möglichkeit, in diese Figuren einzutauchen. Bei einem 90-Minuten-Film ist das eben schwierig. Ich habe bei fast allen Verfilmungen gemerkt, dass man Sachen herausstreichen muss und das hat den Figuren und der eigentlichen Sache, die ich erzählen wollte, nicht unbedingt gut getan. Und das ist bei der Prime-Video-Serie jetzt nicht passiert.

Wie nahe sollte sich die Serie an das Buch halten?

Sehr nahe und sie sollte noch mehr bieten. Um die Serie zu füllen, wurden Geschichten, wie die von Dr. Roth, ausgebaut. Ich habe außerdem etwas in der Handlung verändern wollen, was ich heute im Buch auch anders machen würde.

Das Buch ist 17 Jahre alt und ich glaube, dass die Menschen elaborierter sind und einfach viel mehr Thriller gelesen und gesehen haben. Man schafft es nicht, über sechs Folgen lang ein Mysterium zu halten und dann gibt’s erst den großen Turning Point. Dass der Twist aus dem Buch in der Serie schon in der Mitte enthüllt wird, ermöglicht der Serie ihrem Titel entsprechend nochmal in die Tiefe zu gehen. Es wird entschieden, in der Scheinwelt das Rätsel der Realität zu lösen. Die Therapie hat eine Auswirkung auf die Auflösung. Das finde ich gut gelungen.

Trystan Pütter hat eine Hauptrolle in "Die Therapie".
Trystan Pütter spielt Dr. Roth.© Prime Video, Britta Krehl
War dir wichtig, dass die Schauspieler:innen das Buch vor den Dreharbeiten gelesen haben?

Nein, ich glaube eine Verfilmung muss sich lösen vom Buch. Hauptdarsteller Stefan Kampwirth hat das Buch bewusst erst nach den Dreharbeiten gelesen, falls es eine Szene gibt, in die er sich verliebt und sie dann nicht umgesetzt wird. Das finde ich auch völlig ok. Das Drehbuch muss für sich funktionieren und ich finde eine sklavische Übernahme von der Buchvorlage nicht gut. Was ich natürlich ganz schlecht finde ist, wenn die Menschen das Buch nicht mehr wiedererkennen.

Aber wenn sie es wiedererkennen und sie bekommen noch was dazu – sie bekommen beispielsweise hier die Geschichte von Dr. Roth, oder einen anderen Turning Point – dann ist das auch für die Leute, die das Buch gelesen haben, ein Gewinn. Für die anderen, die das Buch gar nicht kennen, passt das ja sowieso.

Werden wir noch mehrere Verfilmungen sehen können?

Ja, da sind mehrere geplant. Ebenfalls mit Prime Video.

Aufmerksamen Leser:innen fällt auf: Es gibt wiederkehrende Charaktere. Wird es also ein fitzek-Universum geben?

Das ist eine sehr gute Frage, weil ursprünglich war es nicht geplant. Aber gerade die Figur des Dr. Roth ist ja immer wieder eine Figur, die bei mir als Nebenfigur auftaucht, die aber durch das Drehbuch und durch Trystan Pütter so eine Besonderheit bekommen hat. Ich habe beim Screening der Folgen danach gesagt, dass ich es schön fände, wenn er wieder auftauchen würde. Wir arbeiten ja auch gerade schon an einer neuen Serie, in der er eigentlich nicht vorgesehen war. Darüber wird auf jeden Fall gerade intensiv nachgedacht.

„Die Therapie“ ist seit 26. Oktober auf Prime Video zu sehen. Am 27. Oktober erschien Fitzeks neuer Thriller „Die Einladung“. Hier geht’s direkt zum Buch auf Amazon.

Personen die Selbstmordgedanken haben oder an Depressionen leiden, können sich an vertraute Menschen wenden oder die Telefonseelsorge unter der Rufnummer 147 für weitere Hilfsangebote kontaktieren.

Du denkst an Suizid, machst dir um jemanden Sorgen oder hast einen Menschen aufgrund eines Suizidtodesfalls verloren? Auf dem österreichischen Suizidpräventionsportal  www.suizid-praevention.gv.at findet man Informationen zu Hilfsangeboten.

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