Sängerin PÄM: „Sich selbst jeden Tag zu lieben, ist unmöglich“

Aufrichtig und unverblümt gibt PÄM auch abseits der Bühne gesellschaftlichen Tabuthemen eine Stimme und spricht aus, was viele sich nicht trauen. Die charismatische Sängerin im Interview.

8 Min.

© Stefan Sappert

I’m not a snack, I’m the whole damn meal“ – mit Lizzos selbstbewussten Songzeilen und einem lauten Lachen beendet sie unser Interview. PÄM – was für eine beeindruckende Frau! Erfrischend ehrlich lernten wir die 29-jährige Musikerin bei einem kühlen Getränk in einem schattigen Wiener Gastgarten kennen. Wie unter langjährigen Freund:innen begrüßt sie uns mit einer herzlichen Umarmung und füllt dabei die warme Sommerluft mit einer großen Portion Lebensfreude, die sofort ansteckend ist. Ihre pinken Haare und ihr auffälliger Kleidungsstil lassen zunächst nicht vermuten, dass die sympathische Niederösterreicherin hauptberuflich an einer Mittelschule Englisch und Musik unterrichtet. Doch die Powerfrau will mehr: Ihr Traum zieht sie auf die Bühne. Unter Marco Pogos Musiklabel veröffentlichte PÄM im November 2019 ihr gleichnamiges Debütalbum. Ihre authentischen und ungeschönten Songtexte im Dialekt machen Mut, sich so zu akzeptieren, wie man ist – eine Message, die die an Diabetes und Rheuma erkrankte Sängerin auch auf Social Media mit Leidenschaft vertritt. Die WIENERIN hat mit PÄM über unrealistische Selbstliebe, die problematischen Auswirkungen von Instagram und Co auf Kinder und Jugendliche sowie über ihre musikalischen Zukunftspläne gesprochen.

Vom Theaterkind zur Künstlerin PÄM

WIENERIN: Wie bist du zur Musik gekommen und wie würdest du deinen Stil beschreiben?

PÄM: Da ich in einem Theater groß geworden bin, war Musik eigentlich immer schon ein fester Bestandteil in meinem Leben. Ob unter der Dusche oder im Auto – gesungen habe ich immer. Später habe ich mir dann Gitarrespielen beigebracht und im Zuge meines Studiums noch Klavier gelernt. Man würde meine Musik wahrscheinlich in „Deutschpop“ einordnen. Was aber nicht heißt, dass ich nicht gerne experimentiere und mal eine Rocknummer, einen Sprechgesang oder wieder einen Song auf Englisch rausbringe. Ich kann und will mich nicht auf ein Genre festlegen. Genauso wie ich mich als Person verändere, soll sich auch meine Musik mitentwickeln. Meine neue Musik wird eine Kombination aus Lizzo, Taylor Swift und Meghan Trainor mit der Attitude von Beyoncé – vorerst aber im Dialekt.

© Mind over Matter

Mit deiner authentischen und humorvollen Art inspirierst du nicht nur die Musik-, sondern auch die Social-Media-Welt. Warst du immer schon so selbstbewusst?

Oh Gott, no – das war ein harter Prozess! Auch heute gibt es noch Tage, an denen ich mich gar nicht selbstbewusst fühle und das zeige ich dann auch. Genauso wie mein echtes Leben ist mein Social-Media-Account auch nicht immer ein Happy Place. Als Kind war ich sehr ängstlich – auch heute bin ich oft noch sehr vorsichtig und überdenke vieles. Mein Selbstbewusstsein kam erst so richtig mit dem Projekt PÄM. Sie war für mich eine Kunstfigur, eine Person, wie ich sie immer sein wollte. In unsicheren Situationen habe ich mir vorgestellt, wie PÄM reagieren würde. Bis ich Folgendes realisiert habe: Wenn ich die selbstsichere PÄM spielen kann, dann bin ich es auch – eine schöne Erkenntnis!

PÄM Über Body Positivity und SELBSTAKZEPTANZ

Wie sehr liegen dir Themen wie Body Positivity und Selbstliebe am Herzen?

Ich bin eine absolute Verfechterin von Body Positivity und Selbstliebe – aber dauernd seinem Körper positiv gegenüberzustehen, geschweige denn, sich jeden Tag selbst zu lieben, ist ein enormer Druck. Es entspricht einfach nicht der Realität. Es gibt auch Tage, an denen ich mir nicht gefalle, aber dann ist es halt so. Morgen schaut die Welt wieder anders aus. Ich finde mich eher bei „Body Neutrality“ wieder. Natürlich errege ich teilweise Aufsehen, weil ich meinen Körper freizügiger zeige, aber ich will nicht als mutig dafür gelten. Das ist eben mein Körper und wieso sollte ich ihn nicht zeigen.

Musstest du schon mal am eigenen Leib Bodyshaming erfahren? Wie gehst du mit Selbstzweifel um?

Meinen ersten Hate-Kommentar habe ich 2021 zu einem Urlaubsbild im Bikini bekommen – sowas vergisst man nicht (lacht). Erstaunlicherweise hat mich das Kommentar null berührt. Was interessiert mich die Meinung von irgendeinem Koal Mayr aus Schaßklappersdorf? Die Menschen, deren Meinung mich wirklich interessiert, kann ich wahrscheinlich an zwei Händen abzählen. Andere reagieren da aber leider vielleicht nicht so selbstbewusst und nehmen sich das wirklich zu Herzen.

Man legt meistens zu viel Wert darauf, was andere von einem denken. Ein Tipp von mir: Alles, was man in die Außenwelt verlagert, haben auch andere in der Hand – egal ob, Glück, Liebe oder Selbstbewusstsein. Mache ich diese Faktoren von anderen abhängig, können sie es mir geben, aber auch nehmen. Wenn man es aber schafft, sich so zu akzeptieren, wie man ist und man mit sich selbst zufrieden ist, kann einem das keiner nehmen. Die Liebe beziehungsweise Bestätigung von anderen ist dann nur ein Bonus. Da bin ich auch noch nicht – aber es wäre mein Ziel, mal an diesen Punkt zu kommen. Wenn ich das herausgefunden habe, werde ich es sicherlich posten (lacht).

© Stefan Sappert

Versuchst du auch deinen Schüler:innen diese Werte zu vermitteln?

Durchaus! Auch wenn, dass meine Big Bosses wahrscheinlich nicht gerne hören: Mir ist es wichtiger, meine Kinder lernen etwas, das ihnen später wirklich hilft, als dass sie fließendes Englisch sprechen oder die Musikintervalle perfekt beherrschen. Denn wenn es sie interessiert, lernen sie es früher oder später sowieso. Ich hatte eine Nachprüfung in Englisch und heute unterrichte ich Englisch.

Herausforderungen von Social Media

Wie problematisch ist deiner Meinung nach, die perfekte „Scheinwelt“ auf Instagram und Co?

Ich möchte heutzutage kein Teenager mehr sein. Die Phase, in der sich der Körper und alles verändert, ist ja ohnehin schon anstrengend, aber in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft mit Instagram, TikTok und Co, wo Perfektionismus sowas von gelebt wird, noch viel mehr. Ich versuche ihnen zu vermitteln, dass das nichts mit der Realität zu tun hat. Meine 13- bis 14-jährigen Schüler:innen haben letztens die Aufgabe bekommen, ihre Social-Media-Accounts „auszumisten“. Sie mussten Profile löschen, die sie innerlich stressen oder die ihnen einfach kein gutes Gefühl geben. Das Gute an Instagram ist ja, dass man selbst die Kontrolle darüber hat, was man sieht und was nicht. Es sollte ein Ort sein, der einem ein positives Gefühl gibt.

Was müsste verändert werden?

Das Bildungssystem sollte viel mehr an die heutige Zeit angepasst werden und es muss mehr Aufklärung stattfinden. Social Media wird ja zum Beispiel so gut wie gar nicht in Schulen behandelt. Seit dem letzten Jahr gibt es immerhin das Fach „Digitale Grundbildung“, aber auch hier wird nicht auf das Thema Social Media eingegangen. Es sollte ihnen beigebracht werden, was man zeigen kann und was nicht und welche Auswirkungen manches haben kann. Social Media ist ja ein wesentlicher Bestandteil unser aller Leben und beeinflusst uns maßgeblich. Das kann man in einer Schule nicht einfach ausblenden. Die Schulen müssen mitwachsen mit den Themen der Jugend, denn sie sind unsere Zukunft. Das passiert leider viel zu wenig beziehungsweise zu langsam.

Die Liebe und Bestätigung von anderen ist nur ein Bonus.

PÄM

Wie wichtig ist es, deiner Meinung nach, dass Künstler:innen auf Tabuthemen aufmerksam machen und für diese sensibilisieren?

Ich finde es schön, wenn es jemand macht – es ist aber auch eine große Verantwortung, mit der man umgehen können sollte. Man muss wissen, wann man seinen Mund aufmacht und sich für etwas einsetzt und wann nicht. Ich sehe mich schon in der Pflicht, gerade mit den Insights als Lehrerin, an die Öffentlichkeit zu treten. Denn ich hätte mir als Jugendliche auch so eine Person gewünscht, die mir einige Jahre an Selbstzweifel erspart hätte. Natürlich macht man sich dadurch angreifbar. Wenn Künstler:innen sich zu bestimmten Themen nicht äußern möchten, ist das okay und zu akzeptieren. Ich finde es aber sensationell, wenn sich Leute wie Marco Pogo oder Paul Pizzera für wichtige Themen, zum Beispiel die Ungleichheit zwischen Mann und Frau, einsetzen.

Auf Instagram thematisierst du auch immer wieder deine Diabetes- und Rheuma-Erkrankung. Wie schaffst du es, trotzdem so positiv zu bleiben?

Was mir geholfen hat, war offen darüber zu reden! Ich wusste selbst so wenig darüber, weil diese Erkrankungen kaum thematisiert werden. Es hat mich schockiert, wie viele Menschen allein in meinem Umfeld Rheuma haben. Diese Krankheiten bleiben FÜR IMMER und das ist besonders in Bezug auf die Gesundheit ein beängstigender Begriff – das muss man erstmals verdauen. Zu Beginn meiner Diagnosen habe ich große Wut und Trauer verspürt. Ich habe diese Gefühle rausgelassen, viel geweint und gesudert. Auch wenn ich meist sehr positiv wirke, bin ich ein Fan von Sudern, ich liebe es und finde, das bringt sehr wohl was (lacht). Aber irgendwann wurde mir bewusst, dass ich entweder dagegen ankämpfen und es mir selber noch schwerer machen kann oder ich einfach das Beste daraus mache.

Was sind deine Pläne für die Zukunft? Dürfen wir uns bald auf neue Musik von dir freuen?

Yes! Im Sommer geht’s endlich wieder ins Studio. Ich habe schon unglaublich viele Ideen und bin wahnsinnig motiviert, diese umzusetzen. Mein Ziel ist es, bald ein neues Album zu veröffentlichen – wann genau, kann ich allerdings noch nicht sagen, aber auf jeden Fall so bald wie möglich! Und dann möchte ich auch auf Tour gehen. Ich kann es kaum erwarten, endlich die Bühnen des Landes zu erobern!

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