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In den letzten Jahren hat sich unsere Gesprächskultur durch die wachsende Präsenz sozialer Medien zunehmend verändert. Was früher in persönlichen Gesprächen oder am Telefon stattfand, wird heute oft in Form von Kommentaren, Direktnachrichten oder öffentlichen Beiträgen ausgetragen. Die digitale Kommunikation hat den Austausch von Gedanken und Meinungen beschleunigt und vereinfacht, doch zugleich sind neue Herausforderungen entstanden.
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Emojis, Abkürzungen und die Begrenzung von Zeichen machen es schwerer, Emotionen und Nuancen angemessen zu transportieren. Gleichzeitig bieten Plattformen wie TikTok, Instagram oder Facebook ein Forum für schnelle Meinungsäußerungen, die oft wenig Raum für tiefere, reflektierte Diskussionen lassen. Der Wert von Empathie, aktivem Zuhören und respektvollem Dialog gerät dabei in den Hintergrund.

Im Gespräch mit der Salzburger Mediatorin und Kommunikationsexpertin Claudia Garstenauer werfen wir einen Blick auf die aktuellen Herausforderungen und Chancen der Gesprächskultur.
Frau Garstenauer, wie definieren Sie den Begriff „Gesprächskultur“ und welche Faktoren beeinflussen sie?
Claudia Garstenauer: Unter Gesprächskultur verstehe ich wohlwollende Kommunikation, die dazu dient, Beziehungen zu fördern. Kommunikation setzt sich grundsätzlich aus verbalen und nonverbalen Elementen zusammen, Mimik und Gestik haben in Gesprächen einen sehr großen Einfluss. Eine positive Gesprächskultur setzt voraus, sich auf das Gegenüber einzustimmen, sich dem anderen zuzuwenden, Blickkontakt zu halten und Interesse zu zeigen. Wichtig ist auch aktiv zuzuhören und nicht zu unterbrechen, während der andere spricht. Respekt, Offenheit und Wertschätzung sind wichtige Faktoren, denn nur so kann ein Gespräch authentisch und konstruktiv sein und vor allem auch Tiefgang haben.
Welche wesentlichen Änderungen in der Kommunikation bemerken Sie in den letzten Jahren?
Ich bin noch in Zeiten aufgewachsen, in denen Kommunikation analog stattgefunden hat. Durch Social Media hat sich sehr viel verändert. Man ist nicht mehr so oft in direktem Kontakt, Nachrichten werden durch WhatsApp und SMS knappgehalten. Dadurch geht viel verloren und Missverständnisse sind vorprogrammiert.
Diese Art der Kommunikation bietet großes Konfliktpotential. Durch die Entwicklung der digitalen Kommunikationswelt geht alles viel schneller, aber weniger in die Tiefe. In meiner Praxis merke ich auch, dass Kommunikation generell weniger geworden ist. Die Art und Weise der Sprache hat sich verändert und mir fällt auf, dass sich viele gar nicht mehr richtig ausdrücken können. Man öffnet sich dem anderen nicht mehr und das fördert oft den inneren Rückzug.
Soziale Plattformen ermöglichen es, in Echtzeit mit Menschen weltweit in Kontakt zu bleiben. Gedanken und Erlebnisse können sofort mit anderen geteilt werden. Klingt ja eigentlich sehr positiv, oder nicht?
Man kann tatsächlich sehr schnell in Kontakt mit anderen treten, doch wirkliche Verbundenheit lässt sich nur schwer aufbauen, denn dazu braucht es eine authentische Kommunikation. Es kann auch Manipulation stattfinden, manches ist vielleicht gar nicht wahr, was in den sozialen Medien vorgegeben wird. Oft sind sie auch Plattformen für Selbstdarstellung und bieten viel Spielraum für Interpretation.
Ich sehe die Hauptgefahr darin, dass Beziehungen durch die sozialen Medien nicht mehr in eine tiefe Verbundenheit gehen. Heute passiert vieles Online, auch vorangetrieben durch die Pandemie. Doch um richtig in die Tiefe zu gehen braucht es Begegnungen mit persönlichem Kontakt und echtem Austausch.
Inwiefern beeinflussen Social Media und die Anonymität im Internet die Meinungsbildung?
Sehr stark. Falsch generierte Nachrichten sind ja beinahe an der Tagesordnung. Kommunikation via neue Medien aus der Anonymität heraus fördert eine niedrige Hemmschwelle und Negativität. Hinter der Maske der Anonymität kann man seine Schattenseiten ungefiltert rauslassen. Wenn man seine Schattenseiten nicht im Griff hat, sucht man sich eine Projektionsfläche. Um sich selbst nicht schlecht zu fühlen, ist der andere der Schuldige. Falls nicht im Internet, dann der eigene Partner.
Welche Strategien gibt es, um eine gesunde Gesprächskultur aufrechtzuerhalten?
Grundvoraussetzung jeder Beziehung und Kommunikation ist, dass man seine eigenen Werte kennt. Wer sich seiner Bedürfnisse und Grenzen bewusst ist und dies angemessen kommunizieren kann, kann auch gut in Beziehung mit anderen treten und eine positive Gesprächskultur schaffen. Man sollte auch wieder lernen, Gespräche bewusst zu führen, sich die Zeit zu nehmen, mit anderen zu sprechen. Anteilnehmen, Zuhören und Interesse am anderen zu zeigen.
Es ist immer die eigene Entscheidung, wie ich in Beziehung mit anderen treten möchte. Der Mensch ist ein soziales Wesen. In der Glücksforschung ist eines der wesentlichen Elemente für Glück, in guten Beziehungen zu sein. Dadurch findet auch persönliche Entwicklung statt. Schließlich ist der Mensch auf Entwicklung ausgerichtet und nicht auf Stillstand.
MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS

Elisabeth Trauner ist Redakteurin bei Unser SALZBURG und mit Stift, Block und Herz immer zur Stelle, wenn Menschen spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hört Podcasts, braucht Krimis und True Crime-Dokus zum Einschlafen und probiert gerne neue Kochrezepte aus, die aber meistens komplett schief gehen.