Zurück zum Ex?

Zurück zum:zur Ex?

Kann eine vergangene Liebe wiederaufflammen?

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© Pexels/ Cottonbro Studio

Ist das wirklich eine „gute“ Idee? Paartherapeutin Margot Davidson erklärt im Interview, welche Fragen
man sich vorher stellen sollte und wie ein Wiederaufflammen einer alten Liebe funktionieren kann.

Romantische Liebe ist schon eine skurrile Sache. Der Mensch, der einem emotional am nächsten ist und einem die Welt bedeutet, wird nach einer Trennung plötzlich zum Fremden. Wem kann man es verübeln, dass vielleicht irgendwann Sehnsucht nach der gemeinsamen Zeit aufkommt.

Die Vergangenheit wird plötzlich schöngeredet und im Sinne von „Es war doch nicht alles so schlimm“ liebäugelt man mit dem Handy und der Frage: Soll ich mich melden? Eine „aufgewärmte“ Sache ist weder gut, noch schlecht. Wir wollen den Blick darauf lenken, welche Fragen man sich stellen sollte, bevor man wieder in das Postfach der:des Ehemaligen rutscht.

Denn egal ob vor vielen Jahren oder wenigen Wochen: Eine Frage sollte man sich laut Paartherapeutin Margot Davidson erneut stellen: „Warum haben wir uns eigentlich getrennt?“

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Zurück zum Ex: Kann das funktionieren?

„Das hängt von den Umständen der Trennung, der Dauer der Funkstille und dem Grund der erneuten Kontaktaufnahme ab“, erklärt die Paartherapeutin. Die Dauer der Beziehung spiele dabei keine Rolle, denn wie nahe sich zwei Menschen sind und wie sicher ihre Bindung war, habe mit Zeitspannen wenig zu tun.

„Oft ist die Sehnsucht nach einer Beziehung und Zweisamkeit so groß, dass man den eigentlichen Grund der Trennung vergisst. Wenn man sich wieder trifft, kann es schon mal vorkommen, dass man quasi unter Beziehungsamnesie leidet.“ Die Aufregung bei einem Wiedersehen wird dann schnell mit Schmetterlingen im Bauch verwechselt.

Viele verwechseln Sehnsucht nach Beziehung mit Sehnsucht nach dem:der Expartner:in. Bei Einsamkeit kann die Vergangenheit schon mal verklärt werden.

Margot Davidson, Paartherapeutin

Um die Vergangenheit im Jetzt erlebbar zu machen, stellt die Paartherapeutin Betroffene gerne vor eine Übung: „Ich lade Klient:innen dazu ein, sich auf einen Sessel zu setzen und diesen als Zeitmaschine zu visualisieren. Es geht darum, zu spüren, wie man sich damals in der Beziehung wirklich gefühlt hat.“

Beim aktiven Aufrufen kann der eigentliche Trennungsgrund noch einmal aufgearbeitet werden. Wenn es bereits ernsthafte Annäherungsversuche gibt und wirklich eine zweite Chance im Raum steht, können konkretere Reflexionsfragen hilfreich sein: Was hat sich seit der Trennung eigentlich geändert? Gibt es Hoffnung, dass es diesmal anders wird? Was waren Punkte, die für mich nicht okay waren?

Arbeit mit dem Inneren

Margot Davidson arbeitet mit der Methodik, den eigenen, inneren Anteilen Gehör zu schenken: „Bei einem Wiedersehen mit dem:der Expartner:in sollte man sich Zeit dafür nehmen, welche Anteile oder Stimmen im Inneren wahrgenommen werden, um ihnen Offenheit und Neugierde zu schenken.“ Oft herrsche eine Polarität zwischen Wagen und Zweifeln, erklärt die Expertin.

Wenn keiner der beiden Expartner:innen Reflexionsarbeit geleistet oder den Blick nach innen gerichtet hat, stehe man bei einem erneuten Versuch vor den gleichen Problemen. Gehen bei Themen wie Lebens- und Familienplanung oder Moral und Ethik die Vorstellungen auseinander, wird es ebenfalls wieder Schwierigkeiten geben.

Zurück zum Ex: Ist das eine gute Idee? Eine Paartherapeutin klärt auf
© Pexels/ Manu Mangalassery

Zurück zum Ex: Ein Erfahrungsbericht

Ein erneutes Scheitern macht dann nicht nur emotional zu schaffen, sondern schlägt auch auf die Gesundheit. Diesem Stressfaktor war auch Tanja längere Zeit ausgesetzt. Die 35-Jährige war gerade nach Israel ausgewandert, als sie kurz vor Ende ihres Work-and-Travel-Visums jemanden kennenlernte.

„Die ersten Monate liefen toll, bis er plötzlich Schluss machte. Das war ein großer Schock für mich“, erzählt Tanja im Interview mit der WIENERIN. Das Paar hatte sich während der Coronapandemie kennengelernt: Lockdown, gemeinsames Homeoffice und der Stress rund um ihr Visum setzten dem Paar zu. „Wir hatten trotzdem eine tolle Zeit und eine enge Verbindung“, sagt sie.

Als die beiden ein Partner-Visum für Tanja beantragen wollten, wurde es kritisch: „Wir schoben den Termin immer weiter hinaus. Er konnte nicht ganz ,committen‘.“ Was sie erst später erfuhr: Ihr Freund hatte ein Päckchen zu tragen: „Er war schon einmal verheiratet und befand sich in einer sehr einengenden Beziehung“, berichtet sie.

„Aufgrund vieler Faktoren wurde unsere Beziehung schnell ernst. Wir wohnten zusammen und auch mein Hund war in der gemeinsamen Wohnung.“ Nach der Trennung war Tanja intuitiv auf dem richtigen Weg: „Ich zog in ein Hotel und habe mich in den folgenden Tagen sehr mit mir selbst beschäftigt. Ich probierte loszulassen und hörte viele Podcasts.“

Das Problem an der Sache: Ohne Aussicht auf ein Visum und mit Hund war es im Lockdown für Tanja unmöglich eine Wohnung zu finden. „Ich bat meinen Exfreund in das Extrazimmer in seine Wohnung ziehen zu dürfen. Dann begann wieder etwas zwischen uns zu laufen.“

„Ich war sicher ein ängstlicher und er ein vermeidender Bindungstyp.“

Tanja

Der Plan des Paares war ursprünglich, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen – eventuell auch in einem europäischen Land. Nach längerem Hin und Her landeten die beiden gemeinsam in Griechenland mit der Aussicht auf eine Weiterreise nach Zypern. „Wir hatten eine tolle Zeit in Griechenland, aber er machte erneut einen Rückzieher.“

Tanja blieb in Griechenland, während ihr damaliger Exfreund nach Zypern flog. Nur einen Tag später bereute er die Entscheidung. „Er meldete sich wieder und sagte, es sei ein fataler Fehler gewesen, wieder mit mir Schluss zu
machen.“ Die 35-Jährige überlegte lange und war sich der Beziehungsdynamik bewusst: „Ich war sicher ein ängstlicher und er ein vermeidender Bindungstyp.“

80 Prozent der Paare, die zu Margot Davidson in die Praxis kommen, hätten genau mit dieser Dynamik zu tun. Dabei würden sich Bindungsstile durch Beziehungspausen grundsätzlich nicht verändern: „Wer nicht wirklich reflektiert, um neue Wege zu gehen oder neue Tools zu finden, wird mit derselben Person am selben Punkt
wieder Schwierigkeiten haben.“

Tanja versuchte genau das zu tun, lud Freundinnen nach Griechenland ein und machte ihren Standpunkt klar: „Ich sagte ihm, dass viel Schaden in der Beziehung entstanden sei und ich nicht wüsste, wie man das Vertrauen wieder aufbauen könnte. Für mich war klar, dass er bei einem erneuten Versuch an seinen Themen arbeiten muss.“ Das Paar entschied sich, die Beziehung wieder aufzunehmen.

In Zypern angekommen, dauerte es fast ein Jahr, bis Tanja wieder Vertrauen fassen konnte. „Er gab sich wirklich viel Mühe und holte sogar meinen Hund für mich aus Israel nach, obwohl er anfangs nicht von ihm begeistert war.“ Im Mai dieses Jahres wird das Paar heiraten.

Wiedergutmachung, Heilung, Entschuldigung

„Ein großer Unsicherheitsfaktor ist die Trennung an sich, weil man befürchtet, dass sich die Person vielleicht wieder trennt“, sagt Margot Davidson. „Das kann auch dazu führen, dass man in der Beziehung mehr Unsicherheit und Angst verspürt.“ Das bekommt auch Tanja manchmal noch zu spüren: „Wir werden immer wieder vor Herausforderungen gestellt, aber mit den Jahren und dem wachsenden Vertrauen wurde unsere Verbindung immer tiefer. Wir kommunizieren ehrlicher als zu Beginn unserer Beziehung.“

Bei Bindung und Beziehung gehe es immer um Sicherheit, weiß Margot Davidson. „Man muss die Heilungsarbeit
gemeinsam leisten, damit man wieder neu beginnen kann.“

EINFLUSS AUF PSYCHISCHE GESUNDHEIT

Laut einer US-Studie des Psychologen Kale Monk leben Menschen in On-off-Beziehungen ungesünder und weisen häufiger Symptome von Depressionen oder Angstzuständen auf. Für die Untersuchung wurden 545 Paare befragt: Zufriedenheit und Kommunikation lassen im Vergleich zu Menschen in fixen Beziehungen ebenfalls nach.

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