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In der heutigen Wegwerfgesellschaft ist das Precycling, also schon im Vorfeld auf die Vermeidung von Plastikmüll zu achten, mindestens genauso wichtig wie das Recycling danach. Die WIENERIN hat mit Zero Waste Austria darüber gesprochen, warum ein bewussterer Umgang mit unseren Ressourcen unerlässlich ist und wie man mit kleinen Schritten Großes erreichen kann.
Darum ist zero waste so wichtig
Circa 1,5 Kilogramm Müll produziert der:die durchschnittliche Österreicher:in tagtäglich, das ist fast eine halbe Tonne Abfall pro Jahr. Was vielen dabei nicht bewusst ist: Die Ressourcen, die dabei verbraucht werden, können zum Großteil nicht mehr nachproduziert werden. Klar ersichtlich macht das der sogenannte „Earth Overshoot Day“, auch Erdüberlastungstag genannt. An diesem Tag kann die Erde den menschlichen Verbrauch nicht mehr durch die Bildung neuer Rohstoffe abdecken und das bedeutet, wir leben auf den Kosten nachfolgender Generationen. In Österreich fiel der Earth Overshoot Day im Jahr 2023 auf den 6. April. Ein Wert, der besonders im internationalen Vergleich erschreckend ist. Denn den Berechnungen von Global Footprint Network zufolge fällt der weltweite Erdüberlastungstag „erst“ auf den 2. August. Die Auswirkungen unseres exzessivem Konsumverhaltens sind bekannt und dramatische Bilder von Müllbergen und verschmutzten Ozeanen sind längst in unseren Köpfen auf Knopfdruck abrufbar.
Erfreulicherweise nimmt das Bewusstsein für einen schonenderen Ressourcenumgang stetig zu und viele Konsument:innen sind schon jetzt bemüht die Entstehung von Müll weitestgehend zu vermeiden. Daniela Hinteregger, stellvertretende Obfrau von Zero Waste Austria erzählt im Interview, warum dennoch Luft nach oben ist, und gibt wertvolle Tipps und Tricks für den Alltag.
WIENERIN: Können Sie uns etwas über die Zero-Waste-Bewegung erzählen?
Daniela Hinteregger: Zero Waste kann als Lebensstil beschrieben werden, bei dem man sich bewusst mit dem eigenen Konsumverhalten auseinandersetzt und die Entstehung von Müll vermeidet. Ziel ist es, von der Wegwerf- bzw. Konsumgesellschaft hin zu einer Kreislaufgesellschaft zu kommen, die Produkte wiederverwendet bzw. repariert, statt wegwirft und durch neue ersetzt. Wir als Zero Waste Austria setzen da an und möchten den Menschen zeigen, wie das geht.
Auswirkungen hat der enorme Ressourcenverbrauch auf uns Menschen und die Umwelt?
In Österreich wird rund ein Drittel des Plastikmülls recycelt, die restlichen zwei Drittel werden energetisch verwertet, also verbrannt. Im Vergleich zu anderen Ländern wie Italien sind wir da schon ganz gut dabei, aber es gibt natürlich noch ein hohes Verbesserungspotenzial. Ein wesentliches Problem ist, dass nach wie vor eine große Menge an Mikroplastik in unsere Umwelt gelangt, das von Tieren und folglich auch von uns Menschen aufgenommen wird. Auch durch Kleidung, die viele synthetische Stoffe enthält, kann Mikroplastik in den menschlichen Organismus gelangen.
Gibt es, Ihrer Meinung nach, zu wenig Aufklärung?
Absolut! Es gibt zwar schon wahnsinnig viele Informationen, aber als Konsument:in ist man immer dazu angehalten, sich selber zu informieren und es werden einem leider oft Steine durch zum Beispiel Greenwashing in den Weg gelegt. Die Behandlung dieses wichtigen Themas sollte schon ganz früh in den Schulen fächerübergreifend angegangen werden, damit die Kinder einen Bezug dazu haben. Von der Schuljause bis zum Kochunterricht gibt es hier ganz viele Möglichkeiten, den Kindern spielerisch Wissen zu vermitteln. Auf der Webseite von Zero Waste Austria stellen wir auch kostenlose Unterrichtsmaterialien zum Thema Abfall für Pädagog:innen oder auch Eltern zum Download bereit. Wir sehen hier definitiv ein großes Need!
So gelingt ein plastikfreieres Leben
Welche Hürden gibt es beim Zero-Waste-Lifestyle? Wo beginnt man?
Aus Erfahrung weiß ich, dass viele sich besonders am Anfang überfordert fühlen. Man möchte die Welt retten, aber weiß nicht so recht, wo man anfangen soll. Dabei ist es ganz wichtig, sich selber den Druck zu nehmen und in kleinen Schritten anzufangen. Man kann sich an den fünf R von Zero Waste „Refuse, Reduce, Reuse, Recycle und Rot“ orientieren. Refuse bedeutet, dass man sich erstmals fragen sollte: „Brauche ich das wirklich oder geht es auch ohne dieses Produkt?“ Schritt zwei wäre dann Reduce: „Brauche ich wirklich 34 Stück davon oder reichen weniger?“ Ich empfehle auch gerne zu Hause zuerst bei nur einem Raum zum Beispiel dem Badezimmer zu beginnen. Hier kann man zum Beispiel Flüssigseife durch feste Seife ersetzen, Abschminkpads aus Stoff anstatt Watte oder Menstruationstassen und Periodenunterwäsche anstatt Tampons und Binden verwenden. Ist der erste Schritt getan, kann man überlegen, wo man weitermachen möchte.
Bei welchen Produkten kann man besonders leicht auf Plastik beziehungsweise auf Verpackungen verzichten?
Ein Tipp von mir, den ich immer gerne gebe: Allzweckreiniger selber machen! Dafür benötigt man nur Zitronen- oder Orangenschalen, die man in ein großes Glas gibt und mit Apfel- oder Tafelessig auffüllt. Das Gemisch lässt man dann zwei bis drei Wochen stehen und schüttelt es zwischendurch. Danach kann man den selbstgemachten Reiniger in eine leere Sprühflasche füllen und im Verhältnis von 1:3 mit Wasser aufgießen. Man spart dadurch nicht nur Geld, sondern auch einiges an Abfall. Bei Zero Waste denken viele an Verzicht, aber neue Wege zu entdecken und Dinge selber herzustellen, kann auch große Freude bereiten.
Was sind deine Empfehlungen für nachhaltige Mode?
Entschließt man sich dazu, ein neues Kleidungsstück zu kaufen, sollte man darauf achten, dass es möglichst frei von synthetischen Stoffen ist und aus langlebigen Materialien besteht. kaRja, Dariadéh, PV Vienna, Fitico Sportswear und The Slow Label sind beispielsweise österreichische Fair-Fashion-Labels, die hochwertige und nachhaltige Mode kreieren. Bei WeDress Collective kann man sich Klamotten leihen. Ansonsten empfehlen wir gerne in Secondhandläden einkaufen zu gehen oder Kleidertauschpartys mit Freund:innen zu veranstalten. Auch Upcycling von alter Kleidung, die man nicht mehr trägt, ist ein guter Weg, Abfall zu vermeiden und die Lebensdauer von Produkten zu verlängern. Auf unserem Blog oder auch auf Youtube findet man unzählige Tutorials, wie man zum Beispiel aus einem alten T-Shirt einen Putzlappen oder ein Einkaufssackerl machen kann. Beim Thema Mode leistet Fashion Revolution Austria erstklassige Aufklärungsarbeit und versucht, die österreichische Modeindustrie untereinander zu vernetzen, um das Thema Transparenz und Verantwortungsbewusstsein voranzutreiben.
Im Zuge einer Konsument:innen-Umfrage von Zero Waste Austria wurde herausgefunden, dass 95,1 Prozent der Einkäufer:innen in Unverpacktläden weiblich sind. Woran kann das liegen?
Ja, darüber habe ich mir auch viele Gedanken gemacht. Ich denke, das liegt vor allem daran, dass Frauen nach wie vor mehr Care-Arbeit leisten, und dazu gehört auch, dass sie mehr Einkäufe tätigen. In meinem privaten Umfeld ist mir auch aufgefallen, dass es bei werdenden Eltern oft zu einem Umdenken kommt. Dann machen sich viele Gedanken über die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder und ihnen wird noch viel mehr bewusst, wie wichtig es ist, auf unseren Planeten achtzugeben.
Setzt sich die Politik immer noch zu wenig dafür ein?
Es bräuchte von der Politik viel mehr Regularien und auch Anreize für Unternehmen, damit diese von sich aus nachhaltig handeln und nicht nur Greenwashing betreiben. Bis neue Gesetze eingeführt und umgesetzt werden, vergeht meist viel Zeit – diese Prozesse müssten auf jeden Fall beschleunigt werden. Gemeinsam mit 20 weiteren Institutionen aus sieben EU-Ländern hat Zero Waste Austria im Oktober 2022 das EU-weite Projekt „ToNoWaste“ gestartet. Ziel ist es, einen Maßnahmenkatalog hinsichtlich Lebensmittelabfallvermeidung für die EU zu entwickeln, der gemeinsam mit Unternehmen umgesetzt werden kann.
Tipps für plastikfreies Einkaufen
- Kaufe bei regionalen Anbietern bzw. Hofläden oder besuche Unverpacktläden: Auf www.zerowasteaustria.at/zero-waste-shops findest du eine Karte mit Shops in deiner Nähe. Die meisten Produkte bekommst du dort in Mehrweggläsern oder zum selber Abfüllen.
- Verwende bei deinem Einkauf die App CodeCheck, um herauszufinden, ob ein Produkt Inhaltsstoffe enthält, die unsere Umwelt belasten.
- Kaufe Produkte mit nachhaltigen Verpackungen: Mehrweg- oder Schraubgläser z. B. von Joghurts kannst du einfach reinigen und für eigene Zwecke weiternutzen.
- Verzichte auf mehrfach verpackte Produkte: Zwei- oder dreifache Verpackungen z. B. bei Süßigkeiten dienen nicht der Haltbarkeit, sondern rein der Produktpräsentation.
- Nimm dir eigene Behälter mit: Frag an der Wurst- oder Käsetheke nach, ob sie dir den Einkauf in deine mitgebrachte Dose von Zuhause einpacken können.
- Verwende Bienenwachstücher statt Alu- oder Frischhaltefolie.
- Kaufe loses statt abgepacktes Obst und Gemüse.
- Verwende Stoffbeutel statt Plastik- oder Papiersackerl.
- Verzichte auf den Kassenbeleg, wenn du ihn nicht brauchst.
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