Ella Stern

Singer-Songwriterin Ella Stern: „Sei ruhig ein bisschen cringe“

Die Wiener Newcomerin im Interview

5 Min.

© Nadine Wächter

Keine Angst vor Gefühlen: Mit ihrer Musik erzählt Ella Stern von den Hochs, Tiefs und all den Chaosmomenten der Zwanziger.

Herzklopfen, Selbstzweifel, Karriere-Hustle und der scheinbar nie enden wollende Prozess, sich selbst zu finden – die Zwanziger haben es in sich. All das, was einen in der vermeintlichen Blüte des Lebens beschäftigt, packt Ella Stern in ihre Songs. Die Wienerin beschreibt sich selbst als Geschichtenerzählerin: „Ich möchte einen Safespace kreieren, in dem man sagen kann: ‚Hey, das ist voll menschlich, was du gerade fühlst.‘ “ Sie singt über große Gefühle und kleine Unsicherheiten und macht daraus Popsongs, die tanzbar und trotzdem berührend sind.

Mit ihren Covers hat sie auf TikTok und Instagram Tausende begeistert, inzwischen hören über 200.000 Menschen regelmäßig ihre eigene Musik auf Spotify. Für Ella fühlt sich dieser Erfolg noch immer „total surreal“ an. Doch statt sich von Zahlen und Algorithmen treiben zu lassen, setzt sie auf Authentizität, Humor und die Leichtigkeit, auch schwierige Themen zugänglich zu machen. Im Interview erzählt sie, warum Social Media für sie Fluch und Segen zugleich ist und warum Liebeslieder bei ihr manchmal ganz anders klingen als gewohnt.

Überwiegt mit der wachsenden Community auf Social Media Dankbarkeit oder spürst du auch Druck?

Ella Stern: Ich würde gern sagen, dass die Dankbarkeit überwiegt – und das tut sie auch – aber ehrlich gesagt, der Druck ist trotzdem da. Unsere Generation ist so zahlengetrieben, und wenn man einmal Erfolg hatte, will man, dass es so bleibt. Aber nicht alles, was man macht, erreicht alle und das ist okay. Man muss lernen, gesund damit umzugehen. Am Anfang saß ich einfach nur fürs Musikmachen am Klavier, ohne Kamera. Heute fühlt es sich manchmal so an, als müsste man für den Algorithmus Musik machen, was dem Ganzen etwas Intimes nimmt. Aber trotzdem: Ich bin Social Media extrem dankbar. Es hat mir sehr geholfen.

Gerade ist deine Single „Amor“ erschienen. Wie würdest du den Song beschreiben?

Ich bin unfassbar schlecht darin, klassische Liebeslieder zu schreiben. Dabei bin ich wirklich glücklich verliebt! Aber ich finde es wahnsinnig schwer, das so zu transportieren, dass es nicht kitschig wirkt. Und weil ich früher lange im Kundenservice gearbeitet habe, hatte ich irgendwann die Idee, einen Love-Song in Form einer Art Mailbox-Ansage zu schreiben. So ist Amor entstanden – meine persönliche Interpretation von einem Liebeslied.

Bist du eher Team „Love at first sight“ oder gehst du das Ganze eher vorsichtig an?

Definitiv Letzteres. Ich bin gar kein „Liebe auf den ersten Blick“-Mensch – das war bei mir noch nie so. Ich finde sogar, dass dieses krasse Bauchgefühl beim ersten Blick oft ein schlechtes Zeichen sein kann. Zu viel Aufregung deutet für mich eher darauf hin, dass man selbst gerade nicht ganz in Balance ist. Meine schönsten Beziehungen sind immer aus Begegnungen entstanden, bei denen ich von Anfang an einfach ich selbst sein konnte. Da war es ruhig, entspannt, vertraut – und genau daraus hat sich dann etwas Schönes entwickelt. Wenn es ganz schnell ging, war es meistens toxisch.

Viele kennen dich auch durch deine Cover. Wie wichtig ist dir dabei deine persönliche Handschrift?

Sehr wichtig. Ich suche oft Songs aus, bei denen ich denke: „Ist das nicht verrückt?“ – weil sie im Original von Künstler:innen mit großen Stimmen gesungen werden. Aber man merkt schnell: Kein Song ist zu groß, wenn man ihn zu seinem eigenen macht. Viele habe ich schon als Kind gehört, aber damals nie auf die Lyrics geachtet. Heute entdecke ich sie neu – als hätte jemand vor 15 Jahren schon über mein Leben geschrieben.

Ella Stern
© Nadine Wächter

Haben dir diese Songs auch geholfen, deinen eigenen Stil zu entwickeln?

Ja, absolut! Am Anfang wusste ich nicht, in welche Richtung es gehen soll, weil mir so viele Genres gefallen. Durch die Cover konnte ich besser greifen, was meine Musik wirklich ausmacht. Gerade dieser positive Twist, den ich gerne in Songs reinbringe, fällt mir am leichtesten. Ich habe oft versucht, das zu unterdrücken und ein bisschen cooler zu wirken, weil das in meiner Generation gut ankommt. Aber das hat sich nicht stimmig angefühlt. Jetzt weiß ich: Ich bin, wie ich bin und das darf man auch in meinen eigenen Songs hören.

Im Dezember gehst du auf deine erste Headline-Tour. Worauf dürfen sich deine Fans freuen?

Mir ist wichtig, dass es ein besonderer Abend wird. Ich möchte die Leute quasi in mein Wohnzimmer mitnehmen – so wie in meinen Videos, mit denen ja alles angefangen hat. Es soll persönlich und nah sein. Es wird Momente geben, in denen ich nur mit dem Klavier auf der Bühne bin, aber auch Parts, bei denen wir tanzen und feiern. Ich werde mir Gäste dazuholen. Es wird kein choreografiertes Spektakel, das bin ich nicht. Aber ich glaube, es wird ein schöner, beseelter Abend.

Gibt es eine Botschaft, die du den Leuten mitgeben möchtest?

Ja, vielleicht eins: Ich würde mir wünschen, dass wir als Gesellschaft wieder mehr groß träumen. Als Kind hat man diese riesigen Wünsche – Astronautin werden, auf die große Bühne, was auch immer. Und irgendwann stellt man das hinten an, um zu funktionieren. Das finde ich schade. Mein Motto ist: Träum’ groß, sei ruhig auch ein bisschen „cringe“, wenn du das willst. Mach den Tanzkurs, den du schon ewig machen wolltest – es passiert nichts Schlimmes. Wenn man dranbleibt, kann man irgendwann wirklich das Leben führen, das man sich wünscht.

Und was ist dein eigener großer Traum?

Ich möchte gern bis ins hohe Alter Musikerin sein und davon leben. Natürlich träume ich davon, irgendwann mal die Stadthalle oder das Stadion zu füllen mit allem, was dazu gehört. Aber selbst wenn es „nur“ bedeutet, dass ich mein Leben lang Musik machen darf und davon leben kann – dann ist das für mich schon der größte Erfolg.

„Amor“ von Ella Stern jetzt auch Spotify streamen

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