
True-Crime-Podcast „Mord auf Ex“: Linn Schütze und Leonie Bartsch im Interview
Was 2019 als kleines Projekt begann, zählt heute zu den reichweitenstärksten Podcasts im deutschsprachigen Raum.
© Christoph Köstlin
True-Crime-Fans kennen ihn bestimmt: den Podcast „Mord auf Ex“ von Linn Schütze und Leonie Bartsch. Was 2019 als kleines Projekt begann, zählt heute zu den reichweitenstärksten Podcasts im deutschsprachigen Raum. Wir haben mit den deutschen Podcasterinnen über ihr Erfolgsformat und ihre Liebe zu True Crime gesprochen.
„Mord auf Ex“ – So entstand der True-Crime-Podcast
In ihrem Podcast „Mord auf Ex“ erzählen Linn und Leonie wöchentlich spannende Mordfälle, rätselhafte Cold Cases und mysteriöse Verbrechen. Es geht um bewegende Schicksale und True-Crime-Stories, mit denen sie ihre Hörer und Hörerinnen jede Woche aufs Neue fesseln. Mit ihren Investigativ-Formaten „Tiefe Spuren“ oder „Die Nachbarn“, die ebenfalls Teil des Podcasts sind, verwandeln die beiden deutschen Journalistinnen fundierte Recherchen in packende Geschichten und entführen mit ihren Erzählungen in eine andere Welt. Kein Wunder, dass sie mit ihren mittlerweile über 200 Folgen eine riesige Fangemeinde gefunden haben und ihr 5-jähriges Jubiläum feiern. Ende Februar gehen die beiden auf große Live-Tour und machen am 26.2. auch in Österreich Halt. Im Interview erzählen uns Linn und Leonie unter anderem, wie alles begann.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen True-Crime-Podcast zu starten?
Leonie: Was bei uns beiden schon immer vorhanden war, war die Faszination fürs Geschichten erzählen. Wir haben beide schon vorher im Journalismus gearbeitet und uns dann im Volontariat bei einem TV-Sender kennengelernt. Ich war zuvor im Print-Bereich tätig, Linn im TV-Bereich. Bei True Crime kommt dann auch noch die Prämisse hinzu, dass die Geschichten wahr sein müssen. Das hat uns natürlich noch mehr fasziniert. Ich habe damals im Volontariat angefangen, immer mit der Motivation und dem Plan, irgendwann mein eigenes Projekt zu haben, bei dem ich wirklich 100 Prozent geben kann. Das Medium Podcast fand ich immer schon mega spannend, habe aber eher News- oder Comedy-Podcasts gehört und schon immer überlegt, wie man dieses Medium mehr bespielen kann.
So kam es dann, dass wir gesagt haben: „Komm machen wir einfach mal!“
Linn Schütze
Linn: Damals haben echt wenig Leute so richtig Podcasts gehört. Ich selbst höre bestimmt schon zehn Jahre True Crime – Ja, ich dachte früher, ich sei ein ganz großer Nerd! (lacht) Ich habe das Leuten erzählt und die meinten: „Was machst du!?“. Ich habe immer amerikanische, kanadische oder australische Podcasts gehört, denn es gab in Deutschland drei Stück oder so, die kamen alle zwei Wochen raus. Und wenn du selbst auch True Crime hörst, kennst du das wahrscheinlich: Mir reicht nicht alle zwei Wochen eine Geschichte, sondern ich würde schon gerne jeden Tag etwas hören. Und darum habe ich wirklich täglich meinen Podcast-Player aktualisiert und mir gedacht: „Oh Mann, bitte lass doch mal irgendjemanden in Deutschland auch einen True-Crime-Podcast machen, der nicht nur deutsche Fälle erzählt, sondern auch internationale!“. Dann haben Leo und ich uns kennengelernt. Es ging damals in unserem Volontariat um Ideenfindung und ich meinte, man sollte mal einen True-Crime-Podcast machen. Die Leute dort haben die Idee aber eher abgetan, weil Podcast damals einfach noch nicht so ein Ding war – außer Leo, die gesagt hat: „Mit dem Genrenamen ‚True Crime‘ kann ich zwar nix anfangen, aber ich habe schon immer spannende Geschichten gelesen und selber geschrieben.“ – Und so kam es dann, dass wir gesagt haben: „Komm machen wir einfach mal!“.
Und dann ist der Erfolg ziemlich schnell gekommen?
Linn: Also, man muss ja sagen, wir haben nie Werbung gemacht. Das ist ja das Unglaubliche, wenn man das Leuten erzählt, die danach fragen, was wir eigentlich gemacht haben, damit der Podcast so bekannt geworden ist – wir haben eine Folge hochgeladen und das Ding ist explodiert. Damit hätten wir niemals gerechnet – was man, glaube ich, unseren ersten Folgen auch noch sehr anmerkt, weil da war uns noch alles egal. (lacht) Aber ja, so kam das irgendwie und jetzt sind wir hier. Das ist immer noch verrückt!
Seit „Mord auf Ex“ ist alles anders
Wie hat sich euer Leben seit dem Podcast verändert?
Leonie: In jeder einzelnen Facette hat es sich verändert! Man kann es gar nicht auf einen Bereich runterbrechen. Also der Alltag ist so anders: Früher haben wir das zu zweit gemacht, haben einfach recherchiert, auch noch nach der Arbeit. Wir hatten ja eigentlich noch unsere Volontariat-Jobs und sind dann abends, am Wochenende oder manchmal auch während der Arbeitszeit an den Laptop. (lacht) Mittlerweile haben wir ein siebenköpfiges Team, die alle bei uns angestellt sind und uns beim Producing, teilweise beim Recherchieren, bei Social Media helfen und unser Management machen. Was sich verändert hat, ist, dass man einfach wirklich sehr, sehr wenig Freizeit hat.
Linn: Ich habe neulich die ersten Folgen nochmal durchgehört, weil wir ja jetzt unser fünfjähriges Jubiläum haben. Da wurde mir nochmal bewusst, wieviel sich verändert hat. Wir saßen damals bei Leo in einem 9m2-kleinen WG-Zimmer. Wir haben in den ersten Folgen darüber gesprochen, dass wir gerade beide Single sind und nicht so recht wissen, was wir mit unserem Leben anfangen sollen. Mittlerweile heirate ich Leos ehemaligen Mitbewohner, sie ist meine Trauzeugin und Leos Freund arbeitet für uns und ist ein Teil unseres Teams geworden. Unser Leben hat sich um 180 Grad gedreht. Das Schöne ist – und ich glaube, das ist auch das Wichtigste – dass sich der Grundbestandteil, nämlich was Leo und ich miteinander haben, nicht geändert hat!
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Mehr InformationenGibt es etwas, das ihr jetzt anders machen würdet?
Linn: JA!
Leonie: Also die erste Sache, die ich anders machen würde, ist, ein vernünftiges Mikrofon zu benutzen und nicht in Linns Souterrain-Keller aufzunehmen. Was wir uns dabei gedacht haben, I don‘t know – wir hatten so ein Bügelmikrofon wie im Kundenservice, und so hat es sich auch angehört. Wir haben da wirklich reingeschallert, dann noch gepaart mit dem Hall – also ich glaube, jeder Audioingenieur konnte die ersten Folgen gar nicht ertragen. Das würde ich, glaube ich, anders machen. Aber ich glaube, wie so oft, wenn man dann doch was verändern würde, wäre man wahrscheinlich nicht an dem Punkt, an dem man gerade ist.
Linn: Wir erzählen mittlerweile Geschichten ganz anders. Uns ist auch viel mehr bewusst, wie viele Leute zuhören und was für eine Verantwortung damit kommt. Und wenn man sich so lange mit Kriminalfällen beschäftigt, lernt man auch einfach, was macht das mit Angehörigen, wie sollte man Geschichten erzählen und so weiter. Man merkt auch, True Crime hat sich in unseren fünf Jahren extrem entwickelt, genauso wie wir. Und Leo sagt es schon richtig, es ist alles so gekommen, wie es gekommen ist, weil es diese Entwicklung auch bei uns gab. Aber natürlich, man blickt jetzt fünf Jahre zurück und es ist manchmal ein bisschen so, als wenn man sich Fotos von sich selbst als Teenager ansieht und dann sagt: „Boa, den Haarschnitt, oh Gott, wie konnte ich nur?“. Ich würde sagen, wir haben Schmerzen, wenn wir uns die alten Folgen anhören! (lacht)
5 Jahre „Mord auf Ex“
Ihr habt in den vergangenen fünf Jahren schon extrem viele Fälle behandelt, welcher ist euch besonders in Erinnerung geblieben?
Leonie: Super viele, ehrlich gesagt. Nicht nur einer. Kommt auch auf die Themen an. Wir haben ja auch „die Nachbarn“ gemacht, ein Format, das sich nur mit einem einzigen Kriminalfall auseinandersetzt, und zwar mit der Geschichte von Andreas Dasow. Und das hat uns wirklich zwei Jahre lang den Schlaf geraubt. Es ging so weit, dass uns in dem Fall dann auch irgendwann die Akten zugespielt wurden und wir auch neue Zeuginnen und Zeugen gefunden haben, die damals mit der Polizei nicht gesprochen haben – teilweise aus Vorbehalt der Polizei gegenüber, teilweise aus anderen Gründen – und wir sind dann auf Widersprüchlichkeiten gestoßen. Und da hatte man echt das Gefühl … Wie können wir das jetzt entdecken? Warum treffen wir auf Menschen, die relevante Informationen zu diesem Kriminalfall haben, denen nicht nachgegangen wurde? Wir haben echt viel über diesen Fall geredet und es wurmt mich auch immer noch, dass ich da nicht zu 100 % die Lösung habe.
Wie schafft ihr emotionalen Abstand zu diesen schweren Themen?
Linn: Es ist ganz wichtig und das haben wir auch gemerkt: Wir müssen lernen, Abstand zu finden, damit wir unsere Arbeit noch gut machen können, aber es fällt einem nicht immer so leicht. Es hilft total viel, dass wir beide darüber sprechen können und unser Team sehr persönlich aufgebaut ist, also viele Freunde und Familie Teil davon sind und man da einfach viel zusammenhält. Ich schaue auch viel Trash-TV, das hilft mir ungemein, wenn ich sehe, über welche unnötigen Sachen sich Leute aufregen. Dann denk ich mir: „Ah ja, okay, die Welt ist doch noch in Ordnung.“.
Leonie: Ich kann in meiner Freizeit zum Beispiel keine True-Crime-Podcasts mehr hören. Schon ab und zu, aber ich höre dann eher irgendwelche Lifestyle-, Comedy- oder Unterhaltungspodcasts, damit das meinen Kopf ein bisschen freimacht. Ganz ehrlich, man muss sich ja auch mit schönen Sachen beschäftigen. Deswegen haben wir dann auch irgendwann „True Love“ entwickelt und das war eine Zeit lang echt meine Rettung! Mittlerweile hat man sich dran gewöhnt, aber die ersten Monate über, immer wenn mir die Recherche bei „Mord auf Ex“ schwerfiel, habe ich das Dokument geschlossen, bin in das andere rüber und habe ein Happy End geschrieben.
Live-Podcast in Wien
Eure Live-Podcast-Tour steht an, am 26. Februar seid ihr auch in Österreich. Was erwartet uns denn auf der Tour?
Leonie: Wir erzählen natürlich einen Live-Fall, aber wir haben uns auch gedacht, da die Leute ja in unserer Live-Show nicht plötzlich anfangen, Geschirr zu waschen oder Fahrrad zu fahren, was man sonst so tut, wenn man einen Podcast hört, müssen wir natürlich irgendetwas auf der Bühne abliefern, was wir sonst im Podcast nicht machen können. Und da ist natürlich die erste Sache alles Visuelle – also es wird nicht nur eine Show für Podcast-Hörerinnen und Hörer, sondern es wird auch eine visuell sehr anspruchsvolle Show. Wir fliegen in ein anderes Land, drehen dort jetzt die nächsten Wochen über Interviews, gehen auf Spurensuche, wir haben Gäste, Effekte, Videos, ein Bühnenbild, ganz viele Überraschungen!
Wo seht ihr „Mord auf Ex“ in den nächsten fünf Jahren?
Linn: Auf jeden Fall wollen wir all das so weitermachen und noch viel größer werden. Wir haben auch voll Bock auf mehr Video. Unser Traum wäre, dass „Mord auf Ex“ immer so weitergeht, wir daraus ganz viel entwickeln, vielleicht auch viel mit Video begleiten und dass auch neue Podcasts entstehen können, und wir auch als Produktionsfirma wachsen und größer werden. Wir freuen uns voll darauf!
Leonie: Wir haben ganz viele Projekte geplant. Es kommt noch viel Aufregendes und Tolles!
Termine in Österreich
- 26. Februar „Mord auf Ex“ Live-Podcast in der Wiener Stadthalle
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