
© Stefan Belinszky
Vom ESC-Rampenlicht zum Songwriting-Sieg: In nur wenigen Jahren hat TEYA erlebt, was oft ganze Karrieren füllt. Jetzt knöpft sie sich mit „Bourgeoisie“ die Musikindustrie vor.
Zehn Uhr vormittags, ein Gespräch zwischen Wien und Berlin. TEYA lacht, als sie erzählt, dass ihre Kolleg:innen sie „die Schreibmaschine“ nennen. 111 Songs in einem Jahr – wer soll da noch mithalten? Und trotzdem hat sie oft das Gefühl, es sei nie genug. 2023 stand sie beim ESC mit „Who the Hell Is Edgar?“ selbst im Rampenlicht, 2025 schrieb sie im Hintergrund am Siegertitel „Wasted Love“ mit.
Mit ihrer neuen Single „Bourgeoisie“ legt die Wienerin mit serbischen Wurzeln jetzt nach. Der Begriff steht historisch für die wohlhabende, herrschende Klasse. Übertragen auf die Musikindustrie meint die junge Musikerin damit jene, die Geld und Kontrolle haben – nicht die, die die Songs schreiben. In „Bourgeoisie“ rechnet sie mit einem System ab, das Künstler:innen antreibt, verbrennt und manchmal auch unsichtbar macht.
In welchen Momenten hattest du das Gefühl, dass deine Kreativität zur Ware wird?
TEYA: Ich glaub, das ist tief in der Musikbranche verankert. Letztes Jahr habe ich unglaublich viele Songs geschrieben, parallel meine eigene Karriere vorangetrieben und das Eurovision-Projekt betreut. Und trotzdem hat es sich oft nie genug angefühlt. Die Branche ist extrem schnelllebig, alles wird über Streams und Follower gemessen. Dabei vergisst man, was man schon erreicht hat. Ich war mehrfach an der Grenze zum Burnout. Vor allem als Frau muss man ständig kämpfen, um gehört und fair bezahlt zu werden. Songwriter:innen werden selten angemessen entlohnt. Zum Glück sprechen inzwischen Künstler:innen wie RAYE oder Chappell Roan solche Themen offen an – das ist enorm wichtig.
Inwieweit hast du dir beim Schreiben Gedanken gemacht, wie die Außenwelt reagieren könnte?
Eigentlich gar nicht. Ich schreibe, um zu verarbeiten, was in mir drin ist. Vor dem Eurovision-Jahr war das anders – da habe ich viel geschrieben mit dem Gedanken: „Was wollen die Leute hören?“ Ich habe versucht, mich anzupassen. Dabei habe ich Songs über Liebe oder Herzschmerz geschrieben, obwohl ich nie verliebt oder heartbroken war. Das war nicht authentisch. Aber ich habe gelernt: Wenn ich ehrlich bin und das schreibe, was ich gerade verarbeiten muss, erreicht es die richtigen Menschen.
Wenn du morgen CEO eines Major Labels wärst – was würdest du als Erstes ändern?
Ich würde sofort eine verpflichtende Songwriting-Fee einführen. Songwriter:innen investieren Zeit und Geld, sie sollen nicht im Minus landen. Zweitens: Aufklärung. Künstler:innen müssen verstehen, was in ihren Verträgen steht – welche Rechte sie abgeben und was ihnen zusteht. Transparenz und faire Bezahlung wären meine ersten Schritte.
Du bezeichnest dich selbst als „Corporate Composer“. Was steckt dahinter?
Das beschreibt meine Realität: Ich schreibe teilweise zwei Songs am Tag. Im August habe ich fast jeden Tag Songwriting-Sessions – das sind dann 28 Songs – viele Songs kommen vielleicht erst nächstes Jahr raus, und an manche erinnere ich mich dann nicht mal mehr. Es ist wie Fließbandarbeit. Deshalb „Corporate Composer“. Früher dachte ich, wenn ich nicht zwei Songs pro Writing Camp schaffe, bin ich gescheitert. Heute versuche ich bewusst, Quality over Quantity zu leben, sonst geht die Kreativität kaputt.

Apropos Kreativität: Kennst du auch Schreibblockaden?
Ja, besonders wenn ich zu viel gemacht habe. Meine Kolleg:innen nennen mich „Teya, die Schreibmaschine“. Aber manchmal setzt mich das unter Druck. Wenn dann mal nichts kommt, habe ich das Gefühl, nicht nur mich selbst, sondern auch andere zu enttäuschen. Kreativität braucht Raum. Sie ist nichts, was man erzwingen kann – wenn man gestresst ist, ist der Kopf zu.
Woran erkennst du, ob ein Song dein eigener ist oder für jemand anderen gedacht?
Ich weiß eigentlich schon beim Reingehen in die Session, für wen der Song ist. Songwriting ist für mich wie eine Therapiesession – wir reden erst mal, lernen uns kennen, und daraus entsteht der Song. Dann fühlt sich der Song auch nicht wie „mein“ Song an, sondern wie der der anderen Person – weil es ihre Gedanken, ihre Geschichte ist. Wenn ich für mich schreibe, führe ich diese „Therapiesession“ mit mir selbst im Kopf. Ich weiß genau, was ich sagen will, und dann schreibe ich es runter. Das fühlt sich dann zu 100 % nach mir an.
Du hast nicht nur den ESC-Siegersong „Wasted Love“ mitgeschrieben, sondern warst auch bei JJs Sieg im Hintergrund strategisch involviert. Wo hört bei dir die Künstlerin auf und wo fängt die Unternehmerin an?
Bei mir gehört das zusammen. Ich wurde schon früh in diese Doppelrolle gedrängt, weil ich sehr früh naiv Verträge unterschrieben habe. Seitdem weiß ich: Ich muss immer mitreden. Heute arbeite ich mit meinem Management auf 50:50-Basis, bin in Strategie und Planung involviert. Das hat mir geholfen, auch JJ beim ESC zu unterstützen – vom Song bis zum visuellen Konzept.
Was ging in dir vor, als JJ in Basel tatsächlich den ersten Platz geholt hat?
Ich glaube, ich werde nie wirklich Worte finden, die das beschreiben können. Für mich war diese Reise und dieser Sieg unglaublich heilend. Mein eigenes ESC-Jahr war schwierig, und zu sehen, dass harte Arbeit sich wirklich auszahlt, hat mir so viel Kraft gegeben. Wenn du dein Bauchgefühl ernst nimmst, deine Intentionen stimmen und du dranbleibst, dann kann wirklich Großes entstehen. Ich werde das nie vergessen – es hat mein Leben verändert. Nicht nur karrieremäßig (obwohl ein bisschen auch), sondern vor allem emotional. Selbst wenn wir Letzter geworden wären – ich wäre genauso stolz gewesen. Aber dass wir gewonnen haben, war natürlich das i-Tüpfelchen.
Woran erkennt man einen typischen TEYA-Song?
Ich schreibe selten über klassische Liebesthemen. Meine Texte sind oft out of the box, direkt, manchmal sassy oder sarkastisch – aber immer mit einer klaren Message. Egal ob bei „Talk That Talk“, „Who the Hell Is Edgar“ oder bei emotionaleren Sachen wie meinem kommenden Song „Oh Vienna“ – es steckt immer ein Gedanke dahinter. Und trotzdem soll’s catchy bleiben. Nicht zu artsy-fartsy – aber mit Substanz.
„Bourgeoisie“ von TEYA jetzt auch Spotify streamen
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MEHR ÜBER DIE REDAKTEURIN:

Als Redakteurin der WIENERIN erkundet Laura Altenhofer gerne die neuesten Hotspots der Stadt. Besonders angetan hat es ihr jedoch die vielfältige Musikszene Wiens. Ob intime Clubkonzerte oder große Festivalbühnen – man findet sie meist dort, wo die Musik spielt.
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