
© Emil Hildebrand
Wenn das Leben dazwischenfunkt: Mit ihrem neuen Album „Träume auf Zement“ lotet Pippa die Grenzen zwischen idealisierten Visionen und der nüchternen Realität aus.
„Jeder Weg ist eben anders“, sagt Pippa nachdenklich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, als sie mit uns über ihren Werdegang spricht, über Umwege, Zweifel und das Gefühl, Zeit verloren zu haben. Ihre ersten künstlerischen Schritte machte die Wiener Singer-Songwriterin nicht auf Konzertbühnen, sondern im Theater. Eine naheliegende Fügung für jemanden, der in eine Schauspielfamilie hineingeboren wurde. Und doch war Musik stets eine leise, aber beharrliche Konstante in ihrem Leben. Lange schrieb sie Songs nur für sich, getrieben von Selbstzweifeln und dem nagenden Gedanken, nicht genug zu sein.
Erst die Begegnung mit ihrem Musikerfreund, der sie ermutigte, ihre Lieder mit anderen zu teilen, ließ sie den Mut fassen, diesen Weg wirklich zu gehen. Sie legte ihre Schauspielkarriere auf Eis und widmete sich ganz der Musik. Heute haben beide Welten Platz in ihrem Leben, aber die Musik bleibt ihr persönlicher Anker. Am 28. März erscheint Pippas neues Album „Träume auf Zement“. Ein Werk, das von Gegensätzen lebt, vom Widerstreit zwischen Ideal und Wirklichkeit. Ein Gespräch über das Träumen, das Leben und den Mut, sich immer wieder neu zu erfinden.
Bald erscheint dein neues Album. Wie würdest du es in wenigen Sätzen beschreiben?
Pippa: Das Album beschäftigt sich mit Kontrasten, sowohl musikalisch als auch philosophisch. Ich stelle den Traum der Realität gegenüber. Der Titel „Träume auf Zement“ beschreibt das ganz gut: Es geht um echte Träume, aber auch um Tagträume und wie die Realität dazwischenfunkt. Musikalisch ist es für mich wieder mehr „back to my roots“. Es erinnert an meine Indie-Rock- und Grunge-Jugend, ist weniger elektronisch und geht mehr in Richtung Gitarrenmusik.

War das auch das Gefühl oder der Sound, den du einfangen wolltest?
Ja, total! Mein musikalischer Partner beziehungsweise Produzent Moritz und ich haben uns viel Musik aus der Zeit angehört, die mich inspiriert hat. Wir wollten uns einfach zurückerinnern und in diese Stimmung eintauchen. Ich habe für mich erkannt, dass es am besten funktioniert, einfach das zu machen, worauf ich Lust habe. Unabhängig vom Zeitgeist.
Was würdest du als den „roten Faden“ deiner Musik beschreiben? Was verbindet all deine Alben und Songs miteinander?
Es wird mir oft gesagt, dass meine Art, Dinge zu formulieren, eine besondere Handschrift trägt, die sich durch meine Songs zieht. Auch die Themen, über die ich schreibe, sind meist konstant. Beispielsweise schreibe ich nur wenige Liebeslieder, weil mich eher gesellschaftliche Beobachtungen inspirieren. Gleichzeitig gibt es aber auch einen roten Faden, der kein wirklicher Faden ist: meine Neugier und Lust, zu experimentieren und neue Dinge auszuprobieren. Sobald ich das Gefühl habe, dass ich meinen Sound gefunden habe, bekomme ich schon wieder Lust, etwas Neues zu versuchen.
Wenn es sich gut anfühlt und man es moralisch vertreten kann, warum nicht?
Pippa
In deinem Song „Reise“ geht es um den Aufbruch und die Sehnsucht, sich nicht dem Trott der Dinge zu unterwerfen. Was bedeutet das für dich ganz persönlich?
Die Erkenntnis, dass man nicht unbedingt weit reisen muss, um neue Perspektiven und Impulse zu bekommen. Vielmehr kann es darum gehen, sich zu trauen, ein bisschen tiefer in die eigene Persönlichkeit zu blicken. Manchmal ist es mit Mut verbunden, sich Dinge und Persönlichkeitsaspekte anzuschauen, die vielleicht über Jahre hinweg verschüttet waren, weil man Berührungsängste hat oder sie unbewusst verdrängt hat. Für mich ist das ein Aufbruch zur Neuentdeckung des eigenen Selbst.
Viele deiner Songs beschäftigen sich mit der Frage, was es bedeutet, in einer Leistungsgesellschaft zu funktionieren. Hast du für dich persönlich eine Antwort darauf gefunden, wie man zwischen „Anpassen“ und „Authentischbleiben“ navigiert?
Das ist eine schwierige Frage. Ich bin selbst noch auf der Suche, auch wenn man das vielleicht nicht immer merkt. Ich habe viele Unsicherheiten und Phasen, in denen ich stark das Bedürfnis habe, mich zurückzuziehen. Besonders bei Arbeiten, bei denen ich viel mit Menschen zu tun habe, brauche ich viel Zeit, um alles zu verarbeiten. Es gibt keine einfache Antwort, aber ich denke, es geht darum, sich immer wieder zu hinterfragen und zu schauen, ob das, was man tut, wirklich zu einem passt.
Hast du ein Ritual oder einen bestimmten Ort, an dem du zur Ruhe kommst und dich von der äußeren Welt abschotten kannst?
Ich bin ein Mensch, der sehr gut „nichts tun“ kann. Meine zwei Katzen sind für mich wirklich ein Ruhepol und einfach nur auf der Couch zu liegen, mit beiden auf meinem Schoß, das ist für mich wie eine kleine Meditation. Aber leider nehme ich mir dafür viel zu wenig Zeit. Ich habe den Song auch ein bisschen für mich selbst geschrieben, weil ich in den letzten Jahren immer wieder knapp am Burn-out vorbeigeschlittert bin. Ich habe einfach gemerkt, dass dieses Nichtstun in meinem Leben viel zu kurz kommt.
Was braucht es aus deiner Sicht, um aus gewohnten Strukturen auszubrechen und wirklich „zu leben“?
Ich glaube, dafür braucht es Lebenserfahrung. Es klingt immer so einfach, besonders wenn man jung ist, dass man sein Leben leben und sich über alle Normen hinwegsetzen soll. Aber ich denke, es braucht unglaublich viel Mut. Und es ist auch okay, mal mit dem Strom zu schwimmen, ohne sich dafür zu verurteilen. Wichtig ist nur, dass man sich immer wieder hinterfragt, ob es einem entspricht. Wenn es sich gut anfühlt und man es moralisch vertreten kann, warum nicht? Aber wenn man irgendwann merkt, dass etwas nicht mehr stimmig ist, dann braucht es Mut, dagegen zu schwimmen oder seinen eigenen Weg zu gehen. Und ich glaube, diese Erkenntnis kommt mit der Lebenserfahrung.
Deine Songs klingen leicht, haben aber eine große inhaltliche Tiefe. Wie gelingt dir dieser Mix?
Ich liebe Melodien, die ins Ohr gehen. Ich habe nichts gegen anspruchsvolle, komplexe Geschichten, die liebe ich auch, aber für mich muss es immer zugänglich bleiben. Ich finde die Mischung aus etwas, das einen mitreißt, das eingängig ist, und dann aber eine tiefere textliche Bedeutung oder etwas Abstraktes, das zum Nachdenken anregt, einfach besonders. Das ist so ein Ziel von mir. Ich würde sagen, je eingängiger oder einfacher ein Song musikalisch ist, desto komplexer soll der Text für mich sein.

Gibt es eine Stimme aus der Vergangenheit oder Gegenwart, die dich beeinflusst hat?
Mich haben viele Stimmen beeinflusst, aber ich möchte bewusst nicht versuchen, irgendjemandem nachzueifern. Das passiert schnell, aber das ist nicht mein Ziel. Ein Vorbild ist für mich definitiv Judith Holofernes von Wir sind Helden. Sie hat es geschafft, eingängige Songs zu schreiben, die musikalisch stark sind und gleichzeitig textliche Tiefe, Witz und Ironie besitzen. Als Kind hat mich zum Beispiel auch Nina Hagen geprägt, weil sie mir gezeigt hat, wie frei man auf der Bühne sein kann und wie geil es ist, einfach keine Rücksicht darauf zu nehmen, was andere denken. Es sind vor allem Frauen, die sich trauen, mutig zu sein und sich selbst treu zu bleiben, ohne zu versuchen zu gefallen.
Wenn du mal nicht singst oder Texte schreibst – wo findet man dich an einem typischen freien Tag in Wien?
Es gibt einige Orte, die ich immer wieder gerne besuche, besonders rund um den Westbahnhof. Irgendwie fühle ich mich dort sehr wohl. Während die meisten am Wochenende ins Grüne fahren, gehe ich gerne einfach um den Häuserblock oder durch die Wiener Straßen spazieren. Vielleicht liegt es daran, dass ich es nicht anders kenne, aber ich genieße es einfach sehr. Ich wohne im 16. Bezirk und dort liebe ich besonders den Yppenplatz sowie die Gegend rund um den Brunnenmarkt.
Zum Abschluss: Was können wir uns von deiner Albumrelease-Show am 10. April im FLUCC erwarten?
Ich werde das Album zum ersten Mal in voller Länge vom Anfang bis zum Ende live spielen. Natürlich gibt es aber auch ein paar andere Songs, die nicht fehlen dürfen. Und es wird eine visuelle Überraschung geben, aber mehr verrate ich noch nicht! Vorbeikommen lohnt sich also auf jeden Fall.
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MEHR ÜBER DIE REDAKTEURIN:

Als Redakteurin der WIENERIN erkundet Laura Altenhofer gerne die neuesten Hotspots der Stadt. Besonders angetan hat es ihr jedoch die vielfältige Musikszene Wiens. Ob intime Clubkonzerte oder große Festivalbühnen – man findet sie meist dort, wo die Musik spielt.