NESS

Seelenstriptease: Sängerin NESS über ihre EP „Leben überleben“

Die aufstrebende Musikerin im Interview

6 Min.

© Jeanette Friedrich

Mit 20 Jahren steht NESS auf den größten Bühnen des Landes – jetzt lässt sie die Hüllen fallen, natürlich nur metaphorisch. Warum sie ihre neue EP „Leben Überleben“ als seelisches Nacktmachen beschreibt.

Ich wünsch mir, dass wir wieder mehr Liebe und Mitgefühl zeigen, mehr echte Emotionen.“ Es ist einer dieser Sätze, die hängen bleiben. In ihrem Blick liegt Nachdenklichkeit, in ihrer Stimme Optimismus – eine Mischung, die sich auch durch ihre neue EP „Leben Überleben“ zieht. Darin verarbeitet die 20-Jährige ein Jahr, das sie selbst als Grenzerfahrung beschreibt. „Es war mehr ein Überleben als wirkliches Leben“, sagt sie. Und das hört man: NESS singt über mentale Gesundheit, Selbstzweifel, Liebe und Verlust – Themen, die viele ihrer Generation und weit darüber hinaus bewegen.

Mit 16 stand sie zum ersten Mal auf einer großen Bühne bei Starmania: schüchtern, unsicher, aber voller Träume. Heute spielt sie vor Tausenden Menschen, hat Millionen Streams und steht mit ihren Vorbildern von damals gemeinsam auf der Bühne. Im Gespräch merkt man schnell: NESS redet so offen, wie sie singt. Über die Angst, sich seelisch nackt zu machen, über kleine Hoffnungsschimmer im Alltag und warum sie ihr Kleinstadtleben nicht eintauschen würde.

Du bist gerade an einem sehr spannenden Punkt deiner Karriere. Wie fühlt sich das für dich an?

NESS: Total aufregend! Ich freu mich vor allem riesig auf die Tour, weil man da wirklich spürt, dass Menschen da sind, die die Musik fühlen. Dieses unmittelbare Feedback bekommt man sonst ja kaum. Ich werde zum ersten Mal meine neue EP performen, die sehr persönlich und emotional ist. Es fühlt sich ein bisschen an wie ein seelisches Nacktmachen vor Menschen, die man gar nicht kennt. Selbst bei meiner Therapeutin fällt es mir manchmal schwer, über gewisse Dinge zu reden – aber darüber zu singen ist irgendwie einfacher.

Fragst du dich da manchmal, ob du Persönliches wirklich so offen teilen möchtest?

Auf jeden Fall. In meinen Texten kommen oft echte Personen vor. Da frag ich mich schon: „Was, wenn die Person das hört und merkt, dass es um sie geht?“ Ich habe Respekt davor, weil ich ja nichts erfinde. Der Song, der mir am schwersten fällt, ist „Walking Dead“. Der erzählt eine Geschichte, von der ich eigentlich nicht wollte, dass andere sie kennen. Aber gerade deshalb muss ich ihn veröffentlichen – weil es wichtig ist, solche Themen anzusprechen. Wenn sich dadurch auch nur eine Person weniger allein fühlt, hat sich die Überwindung schon gelohnt.

Warum ist es dir wichtig, Themen wie Mental Health, Body Image oder Queerness in deiner Musik aufzugreifen?

Weil das einfach mein Leben ist. Ich verarbeite vieles über Musik – das passiert ganz natürlich. Ich geh nicht ins Studio und denk mir: „Heute schreib ich was über mentale Gesundheit.“ Wenn’s kein Thema für mich ist, wär das unauthentisch. Ich wollte schon immer über Dinge sprechen, über die sonst kaum jemand redet. Gerade bei Mental Health hat sich in den letzten Jahren zwar super viel getan, aber ich bin überzeugt, dass das nur passiert ist, weil Menschen irgendwann angefangen haben, offen darüber zu sprechen. Wenn ich da ein kleiner Teil davon sein kann, finde ich das total schön.

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© Jeanette Friedrich

„Wir müssen als Gesellschaft wieder mehr zusammenkommen. Wo ist die Liebe hin? “

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Deine neue EP heißt „Leben Überleben“ – was steckt hinter dem Titel?

„Leben Überleben“ beschreibt mein letztes Jahr ziemlich perfekt. Es war mehr ein Überleben als wirkliches Leben. Ich wollte den Songs – so schwer sie teilweise sind – eine hoffnungsvolle Umrahmung geben, und in der gleichnamigen Single geht’s genau darum: nicht aufzugeben, auch wenn sich alles gerade schwer anfühlt. Ich will keine Musik machen, nach der man sich schlechter fühlt. Ich will Hoffnung geben. Nur Dunkelheit wäre langweilig – das Helle macht die schwierigen Momente erst bedeutungsvoll. Es wird besser, und genau das soll die EP ausdrücken.

Was gibt dir gerade in Zeiten wie diesen Hoffnung?

Das ist echt schwer, gerade bei all dem, was in der Welt passiert. Ich hab oft das Gefühl, wir funktionieren alle nur noch – alles ist so mechanisch geworden. Wir müssen als Gesellschaft wieder mehr zusammenkommen. So simpel es auch klingt, aber wir müssen uns viel mehr Liebe geben. Wo ist die Liebe hin? Wo ist das alles? Ich wünsch mir, dass wir wieder mehr Liebe und Mitgefühl zeigen, mehr echte Emotionen.
Es sind oft die kleinen Dinge, die am Ende einen großen Unterschied machen. Manchmal reicht schon eine gute Tat, ein netter Mensch, ein Lächeln auf der Straße – das gibt mir das Gefühl, dass wir doch nicht so verloren sind, wie es manchmal scheint.

Du bist erst 20, stehst auf großen Bühnen und hast Millionen Streams. Wie gehst du mit diesem schnellen Erfolg um?

Manchmal vergesse ich das und realisiere es erst auf der Bühne. Dass Menschen wegen mir und meiner Musik da sind, ist schwer zu begreifen. Ich platze manchmal vor Dankbarkeit. Ein unvergesslicher Moment war Rock am Ring – vor 80.000 Menschen gemeinsam mit Kontra K „Geboren, um zu leben“ zu performen – unfassbar! Trotz allem hat sich in meinem privaten Leben gar nicht so viel verändert. Ich wohne immer noch in meiner Hometown, irgendwo am Land, hab dieselben Freund:innen wie damals, und mich zieht’s auch gar nicht nach Berlin. Für mich ist eigentlich nichts anders – außer, dass halt so viel anders ist (lacht).

Gab es Momente, die dich als Künstlerin und Mensch besonders geprägt haben?

Ja, auf jeden Fall. Mit 16 hab ich zu meinem Team gesagt: „Ich will nicht live spielen – ich trau mich das einfach nicht.“ Dann hat Luna mich völlig überraschend als Support mit auf Tour genommen. Ich war super schüchtern, hab gezittert, mich kaum bewegt – das war für mich der absolute Horror. Aber über diese Angst drüberzugehen war entscheidend. Heute lieb ich’s, live zu spielen. Wenn ich alte Videos sehe, denk ich mir: Das war wirklich mal ich? (lacht.) Am 22. November spiele ich meine größte Show im Gasometer – ein Traum, der nach vier Jahren Wirklichkeit wird.

Magst du etwas über die Tour verraten?

Sie wird anders als die letzte, aber trotzdem ganz typisch NESS: eine emotionale Achterbahnfahrt. Insgesamt ist das Set rockiger, und fast jeder Song der EP wird dabei sein – und vielleicht kommen auch ein paar Special Guests vorbei. Ich freu mich einfach riesig, das alles endlich live mit den Leuten zu teilen.

NESS am 22. November live in Wien: Jetzt Tickets sichern!

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