„Die Kaiserin“ Staffel 2: „Wir hinterfragen dieses totalitäre Regime“
"Sisi und Franz" über Herrschaften und Familienverhältnisse
© 2024 Netflix, Inc.
Dass Sisi bei uns omnipräsent ist, ist nichts Neues – dass die Serie „Die Kaiserin“ über sie auf Netflix international immens erfolgreich war, war dann vielleicht doch eher überraschend. Die Serie wurde 2023 sogar mit einem internationalen Emmy als Beste Dramaserie ausgezeichnet.
Zum Start der zweiten Staffel der historischen Serie trafen wir die beiden Hauptdarsteller:innen Devrim Lingnau (Kaiserin Elisabeth) und Philip Froissant (Kaiser Franz) zum Interview. Zudem besuchten wir Michaela Mayer-Lee und Monica Ferrari-Krieger: Die Schöpferinnen der traumhaften Kostüme der Serie.
Reifes Kaiserpaar in Staffel 2
Schon die erste Staffel von „Die Kaiserin“ hatte wenig mit den typischen Sissi-Filmen mit Romy Schneider und Karl-Heinz Böhm in den Hauptrollen gemein. Viel eher sahen wir eine Elisabeth mit Freiheitsdrang und dem Willen aus dem strikten Haushalt am Wiener Hof auszubrechen sowie einen ernsten, stillen und wohlüberlegten Kaiser Franz.
Die Liebe zwischen den beiden war von Beginn an in der Serie dramatisch, genauso geht es auch in den neuen Folgen weiter. Nach einem Zeitsprung von wenigen Jahren sehen wir das Kaiserpaar mit zwei kleinen Töchtern – allein dadurch schon dramatisch, denn erwartet wurde eigentlich ein männlicher Thronfolger.
Zudem muss sich Österreich gegen Rebell:innen und Aufstände sowie einen möglichen Krieg wappnen. Welche Herausforderungen die zweite Staffel mit sich brachte, wie Devrim Lingnau und Philip Froissant mit den neuen Handlungssträngen umgegangen sind und wie sie moderne Diskursthemen in die historische Serie gepackt haben, haben uns die beiden Netflix-Stars im Interview vor Staffelstart verraten.
Das Sissi-Museum, die zahlreichen Filme und Relikte: Alle hier kennen Sissi und Franz. Wie geht ihr an eine Rolle heran, die so tief in den Köpfen vieler Menschen verankert ist?
Philip: Am Anfang steht bei mir immer ein großer Rechercheweg an, und dann hat man das Skript, das vieles vorgibt. Dazu kreiert man eigene Erinnerungen, die die Figur geprägt haben, und so wird dieser Kosmos Stück für Stück lebendiger.
Devrim: Wir haben uns beide sehr bewusst von den Darstellungen der Marischka-Filme gelöst und uns von den historischen Figuren distanziert. Ich sehe zum Beispiel die historische Figur Elisabeth mehr als eine Person, die nach und nach in ihrer Melancholie und Sehnsucht nach der Ferne verschwunden ist. Sie ist viel gereist und hatte ja zum Beispiel auch diese Essstörung, in der sie immer kleiner und dünner, also weniger geworden ist. Und sinnbildlich steht das natürlich alles für ein Verschwindenwollen. Bei unserer Elisabeth geht es eher darum, dass sie in einem goldenen Käfig gefangen ist. Sie will ausbrechen, ist also eine Person, die eher nach vorne geht als verschwindet. Die historischen Figuren dienen dem Narrativ, aber auch da haben wir mehr Diskursthemen des 21. Jahrhunderts einfließen lassen.
Die erste Staffel war sehr erfolgreich, ihr habt einen Emmy gewonnen. Habt ihr mit so einem Hype gerechnet?
Devrim: Wir haben sicherlich darauf gehofft, weil wir selbst so überzeugt waren von dem, was wir gemacht haben.
Philip: Ich glaube, für mich wäre es ganz schrecklich gewesen, wenn wir nicht hätten weitermachen können. Oder wenn die erste Staffel nicht ihr Publikum gefunden hätte, weil man einfach so viel Herzblut da reingesteckt hat. Aber ich glaube, das ist letzten Endes auch das, was man beim Schauen spürt. Die erste Staffel war wie ein Vorbau für das, was jetzt in der zweiten Staffel passiert, was die Intensität der Emotionalität angeht. Die Fallhöhen sind viel größer und die Abgründe tiefer geworden.
Würdet ihr sagen, dass dadurch mehr Druck entstanden ist, dass die neuen Folgen wieder performen müssen? Zusätzlich zum Druck, so bekannte Figuren darzustellen?
Devrim: Ja, eine gewisse Erwartungshaltung gibt es, und die gibt es ja auch zu Recht, weil die erste Staffel gut war. Ich glaube, wir können uns jetzt sehr selbstbewusst mit der zweiten Staffel präsentieren.
Philip: Wir haben am Set erfahren, dass wir mit dem internationalen Emmy ausgezeichnet wurden. Das war wie ein Schub, das hat Energie gegeben. Es hat nicht eingeschüchtert oder mehr Druck gemacht, eher hat es befreit, weil man wusste, das, was wir da machen, wird wertgeschätzt…
Wie würdest du denn die Kaiserin Elisabeth in der zweiten Staffel beschreiben? Die hat sich doch stark verändert im Gegensatz zu den ersten Folgen.
Devrim: Absolut. Ich glaube, die Freiheiten, die sie für sich erkämpfen möchte, sind deckungsgleich mit dem, was sie auch für unterdrückte Minderheiten fordert. Elisabeth will mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung – je mehr sie in die Figur einer Kaiserin wächst, desto eher sind ihre Anliegen auch die der Bevölkerung. Sie kann besser ihre eigenen Grenzen setzen und sagen, was sie möchte. Gefangen im goldenen Käfig ist sie dennoch.
“Die Fallhöhen sind viel größer und die Abgründe tiefer geworden.”
Philip Froissant, spielt Kaiser Franz
Kaiser Franz hat sich ebenso weiterentwickelt, er ist Vater geworden und muss sich politischen Konflikten stellen. Wie war das für dich, diesen veränderten Franz zu spielen?
Philip: Es war total schön und auch spannend. Ich bin selbst noch kein Vater, und das erfordert dann nochmal mehr Arbeit, sich in diese Vorstellung hineinzufinden. Man kennt diese Aussagen von Eltern, dass in dem Moment, wo man sein Kind in der Hand hält, sich schlagartig die ganze Welt verändert. Das ist etwas, wo man sich herantasten muss.
Devrim: Wenn ich hier noch hinzufügen darf – das stimmt natürlich. Auf der anderen Seite, und das finde ich das Interessante an unserem Narrativ in der Serie, gibt es eben auch Eltern, die ihre Kinder in den Armen halten und sich nicht mit ihnen verbinden können. Und das sind Tabuthemen, die gesellschaftlich überhaupt nicht diskutiert werden, genauso wie Fehlgeburten oder Kindesverlust. Das erzählen wir eben auch.
Philip: Genau. Da kommen einfach wahnsinnig viele Sachen dazu, und es ist sehr komplex, was die Figur in der zweiten Staffel durchläuft. Auch was wir als Paar durchlaufen.
In den neuen Folgen seid ihr als Paar definitiv reifer geworden…
Devrim: Mir hat das ehrlich gesagt gutgetan, eine romantische Beziehung zu erzählen, die schon reifer ist und irgendwie auf etwas anderem basiert als auf der „Liebe auf den ersten Blick“. Man hat schon ein paar Jahre miteinander verbracht, man hat die ersten Krisen miteinander durchgemacht. Für mich war das als Schauspielerin jetzt das erste Mal, dass ich mit Philip so eine etwas reifere Beziehung erarbeiten musste. Dadurch hat sie eine andere Ernsthaftigkeit bekommen und außerdem eine andere Verspieltheit miteinander, denn man kennt sich schon viel besser und man kann sich auch aufeinander verlassen, weil da ein Fundament da ist.
Würdet ihr sagen, dass dieses Kaiserpaar heute noch relevant ist und man als Zuschauer:in, vor allem mit eurer modernen Erzählweise, noch etwas mitnehmen kann?
Philip: Das glaube ich auf jeden Fall. Da wir so viele gegenwärtige Themen verhandeln, gibt es viele Punkte, wo sich Menschen wiederfinden werden. Was man den beiden hoch anrechnen muss: Sie mussten viel durchleben und wurden stark geprägt von Verlust, Einschränkungen und immensem Druck. Ich finde, es lohnt sich immer, genau solche Personen genauer zu beleuchten und ins Detail zu gehen. Dadurch kann man auf jeden Fall etwas daraus ziehen, sowohl was die Beziehung angeht als auch was gesellschaftliche Themen betrifft. Wir versuchen auch, etwas zu erzählen, was mit der Gegenwart zu tun hat und was in den Menschen Resonanz auslöst.
Devrim: Denke ich auch. Jetzt auf einer Metaebene gesprochen: Wir erleben ja gerade wieder, wie die Welt konservativer wird und mehr Autokraten an die Macht kommen, und was ich sehr schätze, ist, dass wir auch die Perspektive der in unserer Serie sogenannten Rebellen zeigen und nicht nur in dieser monarchischen Perspektive bleiben. Wir hinterfragen aus verschiedenen Perspektiven dieses totalitäre Regime und zeigen die Unzufriedenheit damit. Das ist, glaube ich, notwendig, wenn man heute von so einer Kaiser:innenfamilie erzählt. Man muss nicht alles romantisieren, sondern auch die politischen Gegebenheiten zeigen und die politischen Entscheidungen, die da gefällt werden, kritisch hinterfragen.
„Die Kaiserin“Staffel 2 ist auf Netflix zu sehen.