Vintage-Lover & Fotograf:innen aufgepasst: Wiener Auktionshaus versteigert historische Fotografien

Die Auktion "MODERN TIMES" bietet 100 Fotografien von 1910 bis 1993

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Copyright: Leitz Photographica Auction – Faye Dunaway

Das Wiener Auktionshaus Leitz Photographica Auction veranstaltet zweimal jährlich eine gleichnamige Versteigerung von Vintage-Kameras, historischem Kamerazubehör und Fotografien. Diese Versteigerung zählt den zu größten der Welt, verbucht Bieter aus rund 100 Ländern und hat im Juni 2022 den Weltrekord für die teuerste Kamera (14,4 Millionen Euro für eine Leica 0-Serie) aufgestellt. Die nächste, insgesamt 42. Ausgabe der Auktion findet von 9. bis 10. Juni im Leitz Park in Wetzlar (Hessen) statt – zahlreiche Bieter, vor allem aus Nordamerika und Übersee, nehmen online oder via Telefon teil.

Bevor am 10. Juni die Vintage-Kameras versteigert werden, sind am 9. Juni die Fotografien an der Reihe. Unter dem Titel „Modern Times“ kommen diesmal exakt 100 Werke unter den Hammer, die älteste aus dem Jahr 1910, die jüngste aus dem Jahr 1993. Der inhaltliche Fokus von „Modern Times“ liegt auf der Fotografie ab den 1920er-Jahren – speziell der Fotografie des Neuen Sehens, Street- und Reportage-Fotografie und Foto-Ikonen des Bildjournalismus. Darüber hinaus wartet das Portfolio der Auktion mit Klassikern der Amerikanischen und Europäischen Fotografie und zeitgenössischen, am Markt etablierten Positionen auf.

Begegnungszone zwischen Dokumentation und Lyrik

Die Erfindung der Kleinbildkamera bereitete in den 1920ern den Weg für eine neue Ära der Fotografie. Fanden Aufnahmen mit 35mm-Film zunächst vor allem im Fotojournalismus Anwendung, waren sie in den darauffolgenden Jahrzehnten auch dafür verantwortlich, die Fotografie als eigenständige Kunstrichtung zu etablieren. Der bewegten Geschichte des Mediums zwischen Dokumentation und künstlerischer Ästhetik widmet sich am 9. Juni die Fotografie-Auktion „Modern Times“, die im Rahmen der 42. Leitz Photographica Auction im Leitz Park in Wetzlar stattfindet. Unter anderem werden dabei Fotografien von Raoul Hausmann, Harold Edgerton, Imogen Cunningham, Helmut Newton, Ansel Adams und Walker Evans versteigert.

„Mit dieser vielfältigen, thematischen Bandbreite der Fotogeschichte möchte das Auktionshaus Leitz Photographica Auction die Faszination Fotografie mit Enthusiasten des Mediums, Sammlern und Freunden des Hauses teilen“, erklärt Alexander Sedlak, der Geschäftsführer des Auktionshauses. Für die Auswahl der Lose zeichneten die Fotografie-Expertinnen von Leitz Photographica Auction Caroline Guschelbauer und Anna Zimm sowie der Galerist und Kunsthändler Johannes Faber verantwortlich. Jede/r von ihnen hat ein persönliches Highlight unter den angebotenen Fotografien.

Copyright: Leitz Photographica Auction – Raoul Hausmann

Zarte Aktstudie im intimen Format

Anna Zimm kürt eine der ältesten Fotografien von „Modern Times“ zu ihrem Lieblingsstück unter den Losen. Der 1886 in Wien geborene Raoul Hausmann nahm den Akt seiner Geliebten Vera Broïdo im Jahr 1932 auf. „Ich mag Fotografien, die das Dokumentarische mit dem Lyrischen verbinden und uns gleichzeitig eine ungewöhnliche Perspektive eröffnen“, erläutert Zimm den besonderen Reiz der Fotografie. „Das intime Format des Kontaktabzugs ist auch ein wunderbares Beispiel dafür, dass Fotografien nicht groß sein müssen, um ‚groß‘ zu sein. Diese zarte Aktstudie von Vera Broïdo ist für mich ein absoluter Höhepunkt der Auktion!“

Hochgeschwindigkeitsfotografie mit Elektronenblitzen

Bei Caroline Guschelbauers persönlichem Highlight handelt es sich um die Fotografie „Bullet through banana“ von Harold Edgerton. Die Aufnahme entstand 1964 am Massachusetts Institute of Technology, der vorliegende Abzug stammt aus 1980ern. „Harold Edgertons Experiment mit dem Schuss durch die Banane zeigt das weite Feld der Fotografie und letztlich, was Fotografie sein kann“, so Guschelbauer. „Edgerton, Professor am MIT, war ein Pionier der Hochgeschwindigkeitsfotografie, der mit Elektronenblitzen von kurzer Dauer schnelllebige Ereignisse festhielt. Seine Fotografien fangen ein, was das bloße Auge nicht sehen kann, und fesseln den Betrachter auf außergewöhnliche Weise. Der wunderschöne Dye-transfer Abzug von ‚Bullet through banana‘ hat mich in unserer Auswahl am meisten fasziniert.“

Drei wegweisende Künstler in einem Bild vereint

Zurück in die 1930er führt das Werk, das Johannes Faber als herausragendstes Los der Versteigerung nennt: „Was mir an dieser Fotografie gefällt, ist, dass es drei große Künstler in einem Bild vereint. Imogen Cunningham, eine der bedeutendsten amerikanischen Fotografen des 20. Jahrhunderts, porträtiert Alfred Stieglitz. Als einflussreicher Galerist in New York förderte Stieglitz die europäische und amerikanische Avantgarde. Im Hintergrund des Porträts, das in der Galerie von Alfred Stieglitz aufgenommen wurde, sehen wir ein Gemälde seiner Frau Georgia O’Keeffe, die er ab 1916 ausstellte.“

Neben Cunningham ist mit Ansel Adams auch ein weiteres Gründungsmitglied der Gruppe f/64 bei „Modern Times“ vertreten. Adams‘ Fotografie des Mount Williamson in der Sierra Nevada zählt ebenso zu den weiteren Höhepunkten der Auktion wie beispielsweise „June at Night“ von Helmut Newton, „Penny Picture Display“ von Walker Evans und „Andy Warhol, 1973“ von Arnold Newman.

Eine kleine Vorschau gibt es hier:

Copyright: Leitz Photographica Auction – John Bulmer

John Bulmer (* 1938) Manchester, 1977

Der britische Fotograf John Bulmer erlangte große Anerkennung für seinen bahnbrechenden Farb-Fotojournalismus und seine humanistischen Reportagen aus Nordengland.

Bulmers kommerzieller Erfolg als Fotograf ist unweigerlich mit dem Erfolg des Sunday Times Magazine verbunden, für das er einer der produktivsten Mitarbeiter war. Das Wochenmagazin wurde 1962 als erste Farbbeilage zu einer nationalen Zeitung eingeführt. Obwohl ihn viele seiner Aufträge ins Ausland führten, festigte sich sein Ruf vor allem als Chronist Nordenglands. Der Zusammenbruch der traditionellen Industrien der Industriellen Revolution betraf die Menschen in der gesamten Region. John Bulmer, der selbst im Norden geboren wurde, fühlte eine besondere Empathie für diese Gemeinden. Die Fotografie Miners in Waldridge wurde 1965 im Sunday Times Magazine veröffentlicht und nahm eine Doppelseite in einer nicht weniger als 14 Seiten langen Reportage über den Norden ein. Bilder von Pflastersteinen und Schornsteinen, von Frauen und Wäsche, von Bergleuten und Schmutz sind Teil der Reportage. Viele der Fotografien wurden in dämmerndem Licht oder nach Regen aufgenommen, was zwar einen gewissen Grad an Düsternis zuließ, aber auch eine sanfte, fast pastellige Wirkung erzeugte, die so charakteristisch für sein geniales Werk ist.

„Sie wehrten sich gegen die 35mm und versuchten mich dazu zu bringen, eine Rolleiflex zu benutzen: die erste wurde gestohlen, die zweite von der Limousine der Königsmutter überrollt…Als Jugendlicher wurde ich zu einem großen Cartier-Bresson-Fan erzogen – oder wurde einfach dazu. Allerdings hochgradig frustriert, dass man nicht einfach loslaufen und mit einem 50 mm Objektiv bewaffnet irgendwas machen konnte. Wenn er das konnte, warum konnte ich das nicht? Tatsächlich fand ich heraus, dass ich am besten mit einer Mischung aus 28 oder 35 mm (an einer Leica M) und 105 oder 180 mm (an einer SLR) arbeitete.“ John Bulmer, Michael Koetzle.

Mehr Infos unter: www.leicashop.com und www.leitz-auction.com/auction

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