Frauen in Männerdomänen

Frauen in Männerdomänen: Wie wir veraltete Rollenbilder aufbrechen können

In a man’s world

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In den 1960er-Jahren sang die US-amerikanische Musiklegende James Brown von einer Männerwelt, die nichts für Frauen sei. Zu männlich. Zu brutal. Ein Glaubenssatz, der dank Emanzipation längst der Vergangenheit angehört. Oder etwa nicht? Dass das Geschlecht auch heute noch einen maßgeblichen Einfluss auf die Berufswahl, Aufstiegschancen und das Gehalt hat, zeigen aktuelle Studien zum Arbeitsmarkt. Frauen in Männerdomänen sind eher eine Ausnahme, als die Regel. Vorurteile und Diskriminierung, ob bewusst oder unbewusst, sind allgegenwärtig.

Um verborgene Muster ins Licht zu rücken, haben wir uns an Fachfrauen gewandt, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen. Heidemarie Müller-Riedlhuber, Obfrau des Wiener Instituts für Arbeitsmarkt- und Bildungsforschung (WIAB), hat vor zehn Jahren gemeinsam mit Petra Ziegler das Institut gegründet, das unter anderem zu gender- und diversitätsbezogenen Arbeitsmarktentwicklungen forscht. Claudia Eder, Marketing Director bei karriere.at, engagiert sich aktiv für die Überwindung von Vorurteilen in der Berufswelt. Drei Expertinnen im Interview.

Man sollte meinen, dass traditionelle Rollenbilder heute keine große Bedeutung mehr bei der Berufswahl spielen. Ist das so?

Petra Ziegler: Frauen sind weiterhin in Bereichen überrepräsentiert, die mit traditionell weiblichen Rollen verbunden sind, und diese Arbeit wird auch unterschiedlich bewertet als jene in männlich dominierten Berufen. Eine aktuelle Studie des Instituts für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung (IBE) und der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ) zeigt, dass Frauen immer wieder Kenntnisse und Fähigkeiten im Beruf aufgrund ihres Geschlechts abgesprochen werden – und dies vor allem im Zusammenhang mit handwerklichen und technischen Fertigkeiten und bei der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Vom Abbau stereotyper Rollenbilder würden alle profitieren, nicht nur Frauen.

Claudia Eder, Marketing Director karriere.at
Frauen in Männerdomänen: Claudia Eder im Interview
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Heidemarie Müller-Riedlhuber: Die seit Jahren relativ gleichbleibende Top-3-Liste der Lehrberufe von Mädchen und Jungen spiegelt das wider. Bei Mädchen, die von anderen, aber auch von sich selbst als weniger technikbegabt eingeschätzt werden, wählen am häufigsten die Lehrberufe Einzelhandel, Bürokauffrau und Friseurin. Jungen, die umgekehrt als stärker technikinteressiert gelten, wählen hingegen die Lehrberufe Elektrotechnik, Metalltechnik und Kraftfahrzeugtechnik.

Die monatlichen Lehrlingsentschädigungen für die von Mädchen bevorzugt ergriffenen Berufe liegen im ersten Lehrjahr mit 399 Euro für Bürokauffrau, 700 Euro für Friseurin und 880 Euro im Einzelhandel deutlich unter der Lehrlingsentschädigung von 900 Euro und mehr für technische Lehrberufe. Hier werden also ebenfalls bereits die Weichen für eine lebenslange Schlechterbezahlung von Frauen gegenüber Männern gestellt.

Claudia Eder: Sowohl Frauen als auch Männer, würden vom Abbau der stereotypen Rollenbilder profitieren. Da es diese auf beiden Seiten gibt und ein individuelles „Ausbrechen“ meist zu Irritationen und mangelnder Akzeptanz führt.

Kann es sein, dass die Zuordnung der Geschlechterrollen oft unbewusst passiert, bestimmt durch gesellschaftliche Prägungen und Normen?

Petra Ziegler: Jeder Mensch hat bestimmte Vorurteile internalisiert und manche sind uns selbst gar nicht bewusst. Wir präferieren unbewusst Menschen, die uns ähnlich sind. Und so kann es dazu kommen, dass Männer vor allem Männer einstellen und dann auch fördern, Frauen eher Frauen – da es vor allem in männerdominierten Bereichen weniger Frauen in Positionen gibt, wo sie Entscheidungen über Einstellungen treffen können, verfestigt sich die Männerdominanz weiter. Selbstreflexion ist ein zentraler Bestandteil, um sich mit dem eigenen unbewussten Verhalten auseinanderzusetzen und zu versuchen, dieses festzumachen und dann Schritt für Schritt zu reduzieren.

Inwiefern beeinflussen Vorurteile den Werdegang und die Karriereentwicklung von Frauen in männlich dominierten Berufsfeldern?

Heidemarie Müller-Riedlhuber: Geschlechterspezifische Eigenschaftszuschreibungen wie etwa, dass Frauen eher sanft und fürsorglich sind, beeinflussen immer wieder ihr berufliches Fortkommen. Einerseits, weil ihnen die für bestimmte Positionen erforderliche Durchsetzungsstärke nicht zugetraut wird, andererseits, weil sie, wenn sie zu durchsetzungsstark agieren, als hart, „bossy“ und unsympathisch empfunden werden, da ihr Verhalten nicht dem traditionellen Rollenbild entspricht.

Die Isolation von Frauen in männlich dominierten Berufsbereichen ist ein großes Thema. Dort, wo Frauen nur vereinzelt in Männerdomänen vordringen, kann es zu mehr oder weniger unbewussten Ausgrenzungen kommen. Frauen müssen sich dann oft als Einzelkämpferinnen in einer Männerwelt behaupten.

Frauen, die durchsetzungsstark agieren, werden oft als ‚bossy‘ und unsympathisch empfunden.“

Heidemarie Müller-Riedlhuber, Obfrau WIAB
Frauen in Männerdomänen: Heidemarie Müller-Riedlhuber im Interview
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Claudia Eder: Aber auch wie Frauen selbst ihre Chancen in solchen Berufsfeldern sehen, beeinflusst ihren Werdegang. Männlich besetzte Berufe mögen nicht geeignet oder unerreichbar erscheinen. Weibliche Vorbilder fehlen oder erhalten wenig Sichtbarkeit.

Petra Ziegler: Hinzu kommt, dass Frauen in manchen Unternehmen für Haushaltstätigkeiten eingeteilt werden, obwohl es nicht ihrem Aufgabenportfolio entspricht. Dies sind alles Faktoren, die sich negativ auf die Karrieren von Frauen auswirken.

Wie können Frauen aktiv ihre berufliche Entwicklung in männerdominierten Branchen gestalten, trotz möglicher Vorurteile?

Petra Zieger: Da ist wohl ein Zusammenspiel mit den Unternehmen notwendig, um die berufliche Entwicklung von Frauen in Männerberufen gut gestalten zu können. So wächst auch das Bewusstsein bei Unternehmen, dass mehr notwendig ist, um Frauen zu gewinnen und im Unternehmen zu halten: Nicht nur beim Recruiting, sondern auch im Hinblick auf gezielte Karriereentwicklung – zum Beispiel mit Coaching oder Mentoringprogrammen – kann unterstützt werden.

Heidemarie Müller-Riedlhuber: Um mit Vorurteilen besser umgehen zu können, kann es hilfreich sein, die eigene Kommunikationsfähigkeit, Abgrenzungs- und Durchsetzungsstärke zu verbessern, um sich im Bedarfsfall Gehör verschaffen zu können. Auch ist es wichtig, sich die eigenen Stärken und bereits erreichten Erfolge immer wieder bewusst zu machen.

Claudia Eder: Fortschritt ist wichtiger als Perfektion. Frauen neigen – stärker als Männer – dazu, alles perfekt machen zu wollen. Das baut Druck auf. Man traut sich weniger zu, wenn man das Gefühl hat, etwas noch nicht „perfekt“ zu können. Ein starkes Netzwerk unterstützt außerdem in mehrerlei Hinsicht: Man erhält unterschiedlichste Perspektiven, kann sich austauschen und gemeinsam reflektieren. Häufig findet man in einem gut gepflegten Netzwerk auch Unterstützung.

Wie sehen Sie die Zukunft hinsichtlich der Überwindung von Geschlechterstereotypen in der Arbeitswelt?

Heidemarie Müller-Riedlhuber: Ich fürchte, dass wir noch länger mit Geschlechterstereotypen und Diskriminierung zu tun haben werden. Gerade jetzt werden wieder verstärkt Vorurteile gegenüber bestimmten Personengruppen in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens propagiert.

Petra Ziegler: Generell sehe ich die Zukunft positiv und ich denke, dass sich aufgrund des zunehmenden Fachkräfte- beziehungsweise Arbeitskräftemangels Unternehmen nicht mehr leisten werden können, Mädchen und Frauen nicht als Arbeitskräfte für sich gewinnen und bei ihrer weiteren Entwicklung fördern zu wollen. Allerdings bedeutet das nicht, dass sich die Überwindung von Geschlechterstereotypen „von selbst“ erledigen wird – im Gegenteil, es braucht weiterhin Maßnahmen.

Frauen in Männerdomänen: Petra Ziegler im Interview
© Hannah Müller

Welche Maßnahmen und Veränderungen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen?

Petra Ziegler: Ein erster Schritt ist der umfassende Ausbau der ganztägigen und ganzjährigen Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die es Frauen und Männern ermöglichen Beruf und Familie zu vereinbaren. Zudem braucht es verstärkte Lohn- und Einkommenstransparenz, was zu einer Reduktion des Gender-Pay-Gaps beitragen kann.

Heidemarie Müller-Riedlhuber: Ein zentraler Bereich, um Geschlechterstereotype zu überwinden, ist natürlich der Bereich der Erziehung und das Bildungssystem, da dort bereits sehr früh die Weichen für geschlechterspezifische Rollenmuster gestellt werden. In diesem Zusammenhang wurden bereits einige Programme entwickelt, die zum Beispiel das Interesse von Mädchen an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, den sogenannten MINT-Fächern, erhöhen sollen. Hier werden bereits erste Erfolge sichtbar, auch wenn noch viel zu tun ist.

Auch die Schaffung und Bewerbung positiver nicht geschlechterstereotyper Vorbilder ist für beide Geschlechter von enormer Bedeutung für eine nachhaltige Veränderung in diesem Bereich. Role-Models wirken sich nachgewiesenermaßen auf die Berufswahl aus und können Mädchen wie Jungen dazu ermutigen, ungewöhnliche berufliche Pfade einzuschlagen.

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