Temu, Shein & Co.: Wie gefährlich ist Billigware für unseren Körper?
Life in Plastic
© Unsplash/Jimmy Fermin
Mode von Billiganbietern aus China ist mit potenziell gesundheitsschädlichen Chemikalien belastet. Wie gefährlich ist die Massenware von Temu, Shein & Co. wirklich?
Die Inflation machte sorgloses Shoppen in den letzten Monaten für viele fast unmöglich. Während die Preise für Lebensmittel und Energie explodieren, liebäugeln viele mit günstiger Mode von Anbietern wie Temu und Shein. Wer aber fünf Euro für drei T-Shirts bezahlt, tut sich und der Umwelt nichts Gutes. Und trotzdem: Die Österreicher:innen gaben laut einer Studie im letzten Jahr rund eine Milliarde Euro für Billigware aus China aus. Zehntausende Pakete kommen aus den entsprechenden Fabriken täglich bei uns an.
Bei einer Stichprobenuntersuchung von Shein-Produkten, die von der Zeitschrift „Öko-Test“ in Auftrag gegeben wurde, fielen die meisten der insgesamt 21 getesteten Kleidungsstücke durch. Die Ware war teils stark mit potenziell gesundheitsschädlichen Chemikalien belastet. Acht davon wiesen im Labor Rückstände über den Grenzwerten auf.
Kinderkleidung voller Chemikalien
So wurde etwa in einem Kleid für Kinder Antimon nachgewiesen. „Antimon-Verbindungen werden als möglicherweise krebserregend eingestuft und können auch über die Haut aufgenommen werden“, erklärt Prof. Dr. Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien im Interview mit WIENERIN. „In Abhängigkeit der Konzentration kann das Halbmetall zwar zu Reizerscheinungen auf der Haut führen, allerdings ist das Risiko eher gering. Trotzdem handelt es sich um Bekleidung von Kindern, und die gilt als besonders empfindlich“, so der Umweltmediziner. In Kleidung finden Antimonverbindungen auch als Flammschutzmittel Verwendung, vermutet Hutter.
Chemie in Fast Fashion
Die verschiedensten Chemikalien sind in deutlich höheren Konzentrationen enthalten, als man sie in den Produkten erlauben würde. Das beginnt bei Formaldehyd, Schwermetallen wie Blei oder Cadmium und reicht bis zu Phthalaten, die als Weichmacher bekannt sind“, erklärt Hutter.
„Warum diese Chemikalien in diesen Mengen eingesetzt werden, frage ich mich des Öfteren“, so der Experte. Es gibt zum Beispiel jene, die als Verunreinigungen gelten – sie gelangen während der Produktion unbeabsichtigt in die Textilien. So etwa polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die nachgewiesenermaßen krebserregend sind, erklärt Hutter. „Diese Stoffe wurden vom Spielzeug bis hin zu Sportartikeln detektiert.“ Andere Substanzen, wie etwa Weichmacher, würden bewusst eingesetzt, um etwa Sandalen biegsam zu machen, weiß der Umweltmediziner.
Schädliche Weichmacher
Die sogenannten Phthalate sorgen dafür, dass der Kunststoff flexibel bleibt. „Es gibt Hunderte unterschiedliche Phthalate, etliche sind in der EU speziell in kindernahen Produkten verboten, oder ihre Mengen sind beschränkt.“ Aus gesundheitlicher Sicht seien sie aber alle mehr oder weniger kritisch zu sehen: „Sie können das körpereigene Hormonsystem beeinflussen und so die männliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Weichmacher könnten aber auch für Übergewicht und Diabetes bis hin zu Verhaltensstörungen verantwortlich sein“, so der Mediziner. Bei Kindern können sich diese Stoffe auf die Gehirnentwicklung auswirken.
Schwermetalle in Sandalen
In den Sandalen von Shein fand sich laut „Öko-Test“ die höchste Konzentration problematischer Chemikalien. Sie überschritten gleich mehrfach die im EU-Chemikaliengesetz festgelegten Grenzwerte – zum Beispiel bei Cadmium und Blei.
„Diese Schwermetalle greifen wichtige Organsysteme an – wie zum Beispiel das Nervensystem oder die Nieren. Obwohl es nur sehr geringe Belastungen sind, die über das Tragen von Schuhen zu erwarten sind, gilt trotzdem angesichts des Schädigungspotenzials das Minimierungsgebot“, erklärt Hutter. Je nachdem, wie oft wir diesen Stoffen ausgesetzt sind, können sich diese im Organismus anhäufen und zu Problemen führen.
„Es ist schwer zu sagen, wie hoch die Belastung für die Endverbraucher:innen wirklich ist. Aber die Risiken addieren sich zumindest, da man ja häufiger mit diesen Stoffen in Berührung kommt.“ Zumindest sollte man die Kleidung vor dem Tragen mindestens einmal waschen, empfiehlt der Experte. Dabei gelangen die Chemikalien und das Mikroplastik, das aus den Kunstfasern gespült wird, allerdings in unser Abwasser.
Fehlender Arbeitsschutz
„Die Menschen, die in diesen Produktionsstätten arbeiten, sind diesen Stoffen in deutlich höheren Mengen während der Arbeit ausgesetzt. Man darf daher bei diesem Thema nicht nur an die Konsument:innen denken. Es geht auch um den Umwelt- und den Arbeitnehmer:innenschutz, nicht zuletzt sind die Arbeitsbedingungen jenseits von dem, was bei uns gang und gäbe ist“, betont der Umweltmediziner. Orientieren sollte man sich aber nicht einzig und allein am Preis. Es bedeute nämlich nicht, dass auch teurere Kleidung aus entsprechenden Produktionsländern „besser“ sei: „Aber sicher ist, dass bei diesen extrem niedrigen Preisen etwas ganz klar nicht stimmen kann.“
Mit Hauptsitz in Singapur produziert Shein beispielsweise in 5.000 chinesischen Betrieben. Nachfragen von „Öko-Test“ bezüglich fairer Bezahlung oder Herkunft der Baumwolle ließ das Unternehmen unbeantwortet und bekam hinsichtlich der sozialen Verantwortung die Note „ungenügend“. Auch der Vorwurf von Zwangsarbeit steht bei Temu und Shein immer wieder im Raum. Zudem hat man als Konsument:in aus der EU wenig Durchblick, was den Datenschutz angeht. Wer einmal die Website von Temu besucht hat, bereut es jedenfalls dann, wenn man danach mit Werbung überflutet wird.
Daten schützen
Für den Datenschutz- und IT-Experten Mag. Markus Drittrich gibt es bei Apps wenig Möglichkeiten, sich effektiv zu schützen, da die meisten ohne die angeforderten Berechtigungen nicht oder nur teilweise funktionieren. Er rät beim Surfen im Internet einen Browser im „Privacy“- oder „Incognito“-Modus zu verwenden und zusätzlich einen Cookie-Blocker zu installieren. „Damit können sogenannte Retargeting-Kampagnen – also zum Beispiel Werbung für einen soeben besuchten Onlineshop – schwieriger umgesetzt werden“, so der Geschäftsführer von „www.casc-datenschutz.at“.
Was an Anschuldigungen von Datenklau, die Anbietern wie Temu zusätzlich Gewinne einspielen sollen, wirklich dran ist, sei schwer einzuschätzen: „Grundsätzlich müssen Unternehmen, die ihre Dienstleistungen oder Produkte in der Europäischen Union anbieten, auch die Datenschutzgrundgrundverordnung (DSGVO) einhalten“, sagt Dittrich. Die deutsche Verbraucherschutzzentrale warnt davor, Apps wie Temu den Zugriff auf Kamera, Mikrofon oder Fotos zu erlauben, auch wenn man von der App aufgefordert wird.
Spätestens dann sollten Verbraucher:innen nämlich misstrauisch werden: „Eine der Grundlagen ist das Prinzip ‚Privacy by default‘, das bedeutet, dass eine Software, also auch die App von Temu, datenschutzfreundlich voreingestellt sein muss. Ein Zugriff auf die Kamera oder das Mikrofon ist daher für den Zweck des Kaufs überschießend und nicht DSGVO konform“, so Dittrich. Vorsicht sei grundsätzlich dann geboten, wenn man keine Informationen hat, was das Unternehmen mit den Daten macht, oder man nicht erkennt, an wen die Daten weitergegeben werden.
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