Eine Frage des Stils

Kleider machen Leute. Wir klären, wie man sein äußeres Erscheinungsbild perfekt auf sich abstimmt.

6 Min.

Foto: Julia Malinowska

In einer Zeit, in der Individualität eine so große Rolle spielt wie fast noch nie, bietet der ganz persönliche Stil eine wunderbare Möglichkeit, Mode zu einem Sprachrohr der Persönlichkeit zu machen. Doch es ist durchaus eine große Herausforderung, seinen eigenen Stil zu finden und nicht nur Outfits zu kopieren. Also Schluss mit copy & paste: Bei einem spannenden Interview mit Jasmin Teichtmeister, Fashion- und Style-Beraterin und Gründerin des Unternehmens Pur Style by Jasmin haben wir nicht nur die wichtigsten Fragen zu dem Thema Stilfindung geklärt, sondern auch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung erstellt, wie man ganz einfach seinen eigenen Stil entdecken kann.

Zu Beginn: Welche Stilarten gibt es denn überhaupt?
Grundsätzlich gibt es Klassisch, Casual, Elegant, Romantisch, Bohemian, Vintage, Urban Streetstyle & Sportlich, Scandi-Style und Minimalistisch. Durch Social Media und Co entwickeln sich aber auch immer wieder neue Abwandlungen. Der eigene Stil ist aber dann meistens eine bunte Kombi. Diese Kategorisierungen bieten für den Anfang eine gute Orientierungsmöglichkeit. Spannend wird es dann, wenn man seinem eigenen Stil einen Titel gibt.

Warum ist Stil so wichtig?
Stil ist eine kreative Ausdrucksweise ohne Worte. In den ersten sieben Sekunden entscheiden wir, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht. Hier spielt die Kleidung eine wichtige Rolle – aber auch Accessoires, Make-up, Frisur oder Schuhe. Grundsätzlich geht es um das ganze Erscheinungsbild. Da der Stil auf jeden Fall auch immer zum Charakter und dem Lifestyle passen sollte, ist es eine gute Möglichkeit, seine Persönlichkeit mit unterschiedlichen Elementen nach außen zu transportieren.

Wie erkenne ich denn überhaupt, dass ich meinen Stil noch gar nicht gefunden habe?
Wenn man sich zu sehr von den Meinungen anderer beeinflussen lässt. Das heißt, man traut sich nicht über Outfits, die einem eigentlich zusagen, weil man Angst vor anderen Urteilen hat. Außerdem ein klares Anzeichen: Wenn man viele Teile besitzt, die man zwar sehr schön findet, jedoch nur schwer mit dem Rest der Garderobe kombinieren kann. Und natürlich, wenn man seine Outfits nicht mit Selbstbewusstsein trägt.

Welche Basics sollte jede:r in ihrem:seinem Kleiderschrank haben, egal in welche Richtung der Stil geht?
Klassiker wie Lederjacke, Jeansjacke, Trenchcoat, Bluse und Jeans sind alles Basics, die im richtigen Schnitt ewige Begleiter sein können.

Wie gehst du vor, wenn du Kund:innen bei der Stilfindung unterstützt?
Grundsätzlich orientiere ich mich selbst immer an meiner ganz persönlichen Formel. Die steckt als Eselsbrücke auch in meinem Label. Das PUR in Pur Style hat nämlich eine besondere Bedeutung: P steht hier für Proportionen verstehen, das U für die Umfeldanalyse, also die Analyse des Kleiderschranks, des Geschmacks usw., und das R für Reflektion und Risiko, um genau herauszufinden, was einem eigentlich gefällt. Vorab starte ich aber immer mit einem Fragebogen. Anschließend studiere ich die Garderobe meiner:meines Kunden:Kundin. Ein Kleiderschrank verrät öfter mehr als Worte! So sehe ich, worauf die Person Wert legt, was fehlt und wovon mein:e Kund:in vielleicht zu viel hat. Dann notieren wir, was auf die Einkaufsliste kommt, und gehen schließlich mit Plan und Budget shoppen.

Step-by-Step Anleitung.

Schritt 1. Proportionen abmessen: Hat Hand und Fuß.
Raus mit dem Maßband, Zeit zum Abmessen! Schulterumfang, Taille, Hüftumfang und Co: Als erster Schritt wird jeder Zentimeter genau unter die Lupe genommen und dokumentiert. Denn bevor man auf die große Suche nach seiner modischen Ausdrucksweise geht, heißt es, sich kennenlernen und endlich seine Proportionen richtig verstehen. Auf der Seite www.purstyle.net kann man sich ganz easy gratis einem Figur-Typ-Test unterziehen, um herauszufinden, wo man sich selbst in der Welt der Körper so einordnen kann – mit anschließendem Info-Sheet, was zu den Proportionen passt und wovon man lieber die Finger lassen sollte. „Es geht hier weniger ums Kaschieren, mehr um das Hervorheben der schönsten Seiten“, erklärt die Style-Expertin. So weiß man, was überhaupt an Kleidung in Frage kommen würde, und hat die Basis, um später sogenannte Stylingregeln anzuwenden oder auch zu brechen.

Schritt 2. Garderobe analysieren: Die inneren Werte.
In den Tiefen unseres Kleiderschranks verbergen sich so manche Schätze, Fehlkäufe, Lieblinge und veraltete Modesünden. In diesem Schritt muss alles raus. Es geht nämlich ans Analysieren und Selektieren. Folgende Frage sollte man sich stellen: Wie viel Prozent meiner Garderobe schafft es tatsächlich in meine Outfits? Was gefällt mir? Was trage ich nie? Und was ist mein Lieblingsoutfit? So kommt man dem eigenen Stil schon einen Schritt näher. Ist man unsicher, ob das ein oder andere Teil noch zu einem passt, hat die studierte Managerin einen heißen Tipp: Die Frage „Würde ich das zu einem ersten Date tragen?“ sollte die Unsicherheit schnell lösen: Gibt es ein klares Nein, dann weg damit.

Foto: Julia Malinowska

Schritt 3. Inspiration finden: Get creative.
Nach der groben Analyse geht es zum wohl spannendsten Teil über: Der Inspirationssuche. Die App Pinterest ist Jasmin Teichtmeisters absoluter Favorit. Im Inspirationshimmel für Fashion-Junkies kann man ganz unkompliziert Bilder von ansprechenden Outfits speichern und sich quasi ein digitales Moodboard erstellen. Aber auch Magazine, Street-Style-Blogs oder Jasmin Teichtmeisters Instagram-Account (@pur.style) sind eine gute Idee, wenn es ums Recherchieren geht. Wer sich kreativ ausleben möchte, kann auch Outfits ausschneiden und die eigenen Wände mit den frischen Ideen schmücken.

Schritt 4. Stil reflektieren: Widerspiegeln.
Der größte Teil an Vorarbeit ist geschafft! Nun wird reflektiert. Aus der Kleider-
schrankanalyse und dem Moodboard kristallisiert sich jetzt heraus, welche Elemente den Stil definieren könnten und was man in Zukunft gerne tragen möchte. Jetzt braucht man zusätzlich noch eine große Portion Mut, denn es ist an der Zeit, über seinen Schatten zu springen und herumzuexperimentieren. Die Stilfindung lockt einen aus der Komfortzone: Neue Muster, verschiedene Farben, ausgefallene Accessoires und Co sollten jetzt in die Outfits integriert werden. Denn wer wagt, der gewinnt. Um seinen individuellen Stil zu finden, muss man ja vorerst erkennen, worin man sich wohlfühlt. Dafür kann man sich von Freund:innen ein paar Stücke leihen oder alten Teilen doch noch eine Chance geben.

Schritt 5. Einkaufen gehen: How to Shoppingqueen.
Jasmin Teichtmeisters oberste Regel für den letzten Schritt: ausschließlich mit Plan shoppen. Die meisten Fehlkäufe entstehen durch wahlloses Kaufen. Lieber im Vorhinein eine Wunschliste erstellen und diese gezielt abklappern. Außerdem eine Empfehlung für Anfänger:innen: nicht onlineshoppen. Onlineshops sind zwar ganz gut für die Inspiration, aber für Newbies keine gute Idee. Im Geschäft hat man ein besseres Gefühl für das Kleidungsstück, kann den Stoff fühlen und das Piece auch sofort anprobieren. Vintage-Läden und Second-Hand-Stores sind eine tolle Option, seine zukünftigen Lieblingsteile nachhaltig zu shoppen. Gut für die Umwelt und das Geldbörserl. Außerdem hat die Fashionista noch eine klare Regel, wenn’s darum geht, welches Teil es nach Hause schafft: Das Stück sollte für drei Anlässe passend sein und mit drei Looks in der Garderobe gut zu kombinieren sein.

Fotos: Julia Malinowska

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