„Die Kaiserin“: Das hat eine österreichische Kleidermacherin mit dem Erfolg der Netflix-Serie zu tun
Die Niederösterreicherin Michaela Mayer-Lee entwirft Sisis Kleider
© Netflix
Vor einem Jahr wurde in New York die Netflix-Historienserie „Die Kaiserin“ mit dem Internationalen Emmy als beste Dramaserie ausgezeichnet. Am 22. November 2024 ging – von einem Millionenpublikum erwartet – die zweite Staffel an den Start. Im Mittelpunkt die rebellische „Sisi“, deren grandiose Kostüme mitunter von ihrem Kampf gegen Unterdrückung am Wiener Hof, von Befreiung und Emanzipation erzählen. Was aber hat eine Kleidermacherin aus Niederösterreich mit dem weltweiten Serienerfolg zu tun?
Sisis neue Kleider
Ihr Name ist Michaela Mayer-Lee, geboren in Mödling. Nach dem Kolleg der HBLA Herbststraße machte sie sich 1995 in Berndorf selbstständig, wo sie – vor allem bekannt für ihre drapierten Couture Kleider – unter dem Label MICHEL MAYER regelmäßig Ready-To-Wear- und Couture-Kollektionen präsentierte. Einige Auszeichnungen später eröffnete sie ihr Atelier in der Wiener Innenstadt, wo bis heute entworfen und nachhaltig produziert wird. Zahlreiche Shows im In- und Ausland sowie Ausstattungen für Theaterproduktionen und Design-Kooperationen mit namhaften Unternehmen folgten. Gemeinsam mit der erfahrenen Schnittdirektrice und Kostümbildnerin Monica Ferrari-Krieger gründete sie 2021 das Label COSTUMES COUTURE, spezialisiert auf Entwurf und Fertigung von Couture-Kleidern für Film, Theater und Oper. In aufwendiger Couture-Arbeit und enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit der Kostümbildnerin Gabriela Reumer haben die beiden über zwanzig Kostüme für die Hauptdarstellerinnen der Netflix-Serie „Die Kaiserin“ angefertigt. Ein Talk mit Michaela Mayer-Lee und Monica Ferrari-Krieger.
In einigen Kritiken zur ersten Staffel war zu lesen, die Kostüme seien eigentlich die Hauptdarsteller. Wie sehr freut Sie beide diese Anerkennung?
M. Mayer-Lee und M. Ferrari-Krieger: Natürlich freut es uns, wenn die Kostüme positiv hervorgehoben werden, aber bei einem Film, und vor allem bei den Kostümen, steht immer ein großes Team dahinter. Es werden vorab gewisse Rahmenbedingungen definiert, denen bestimmte Vorgaben und Entscheidungsprozesse vorangehen, daher kann man so ein Kompliment nie für sich alleine in Anspruch nehmen. Gabriela Reumer ist eine großartige und sehr erfahrene Kostümbildnerin, und es war eine wunderbare Zusammenarbeit.
Mussten Sie sich bei den Kostümen für die Kaiserin Sisi und ihrer Schwiegermutter Sophie an historische Vorlagen halten; gab es besondere Kriterien in den Moodboards?
Als Basis hat uns Gabriela ihre Moodboards für jede Episode, die einzelnen Kreationen der beiden Charaktere, präsentiert, um die Stimmung einzufangen. Die Farben waren relativ klar mit den Moods definiert. Es wurde dann über die Materialauswahl diskutiert und gemeinsam entschieden. Gabriela hat uns von Anfang an viel Freiraum eingeräumt, was Formen und Schnitte betrifft. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, dass es nicht hundertprozentig historisch sein soll. Wo da genau die Grenze lag, haben wir erst in der Zusammenarbeit definiert.
Als heutige Interpretation der Sissi-Filme aus den 1950er-Jahren, wollte die Produzentin Katharina Eyssen ein Stück neuzeitlichen Flair in Elisabeths Leben bringen. Wieviel moderne Handschrift liegt in den Kleidern?
Modern, im Sinne von „modern“, war nicht das Thema, aber es war schon klar, dass alles unseren Stil haben wird und somit automatisch eine moderne Handschrift zeigt. Teilweise haben wir sogar Schnitte aus der aktuellen Kollektion verwendet, die in diesem Kontext sofort einen historischen Ausdruck bekommen haben.
Sisi trägt bei ihrem ersten Treffen mit dem Kaiser in Bad Ischl ein schwarzes Kleid. Wollten Sie in Ihren Entwürfen auch die rebellische Seite Sisis zeigen?
Nach den Büchern hieß es, sie hätten den Koffer mit den falschen Kleidern gebracht, die eigentlich für ein Begräbnis gedacht waren, daher die schwarzen Kleider. Ihre rebellische Seite haben wir schon auch versucht, ein wenig in den Kleidern zu zeigen.
Wie kamen die Schauspielerinnen, eingeschnürt in enge Korsagen, umgeben von riesigen Krinolinen (Reifröcken), und dem unglaublichen Stoffvolumen, zurecht?
Kleidung macht etwas in dem Moment, in dem man sie anzieht. Bei den ersten Anproben war es für uns faszinierend zu sehen, wie die Schauspielerinnen mit den ersten Outfits, einem Mieder und den Unterröcken, sofort in diese Rolle schlüpften und sich dementsprechend bewegten. Kostüme können dabei eine große Unterstützung sein, daher war es auch so wichtig, dass die Schauspielerinnen ihren Input gaben. Das führte oft dazu, manche Schnitte noch zu verändern, wie zum Beispiel den Kragen noch enger zu machen, um das Gefühl von Enge zu verstärken.
Welches Gefühl begleitet Sie, wenn Ihre Kleider von einem Millionenpublikum weltweit bestaunt werden?
Da wir nur ein Teil von Gabrielas Team sind, spüren wir diese Auswirkungen eigentlich nicht unmittelbar. Es macht uns aber natürlich sehr stolz, bei so einer großartigen Produktion einen kleinen Beitrag geleistet zu haben, und wir freuen uns riesig, wenn uns Leute darauf ansprechen und wir via Instagram Nachrichten aus der ganzen Welt erhalten.
Ein Blick in die Geschichte
Welches Kleid Elisabeth bei ihrer Hochzeit 1854 trug, ist ein Rätsel und beschäftigt bis heute die Forschung, da die Trauung im engsten Familienkreis zelebriert wurde. Offenbar wurde das Kleid danach der Basilika Maria Taferl gestiftet und samt Silberstickerei zu einem liturgischen Vespermantel umgearbeitet.
War es sehr aufregend, ein Brautkleid für diese ikonische Frau fertigen zu dürfen?
Es war eine unglaubliche Ehre und mit Sicherheit das anspruchsvollste und aufwändigste Teil aller Kostüme dieser Serie.
Eine praktische Frage: Die Krinoline hat einen Umfang von 167 cm, für den Rockteil wurden 55 Meter Tüll verarbeitet, die Schleppe aus Seidenduchesse mit Organza ist vier Meter lang. Wie kann man diese Stoffmassen in einem Atelier verarbeiten?
Zu dieser Zeit hatten wir gerade Lockdown, so hatten wir das ganze Atelier nur für uns alleine, anders wäre es wahrscheinlich sehr kompliziert gewesen, da das Kleid den ganzen Raum unseres Geschäftes – vor allem in der Breite – eingenommen hat.
Die Stickerei wurde vom Vorarlberger Traditionsunternehmen Hoferhecht eigens angefertigt; mit cremefarbigen Pailletten auf Tüll und zusätzlich im Bereich des Oberteils und der Ärmel mit Perlen und transparenten Pailletten handbestickt. Wie viele Arbeitsstunden stecken in dieser aufwendigen Arbeit?
Als wir Gabrielas Moods für das Brautkleid gesehen haben, kam mir eine Spitze in den Sinn, die ich in einer Couture-Kollektion vor ca. 15 Jahren verwendet habe. Diese haben wir dann eigens in Vorarlberg nochmal für dieses Kleid anfertigen lassen. Insgesamt haben wir ca. 50 Meter Material verarbeitet. Die Arbeitsstunden, die wir zu zweit mit Hunderten Pailletten und Perlen in Handarbeit verbracht haben, kann man nicht zählen. Es war eine wirklich anspruchsvolle Couture-Arbeit, von der Unterkonstruktion bis zur letzten Perle.
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