Money on my Mind: Wenn Schulden zur Last werden
Im Gespräch mit Schuldenberater Thomas Pachl und zwei Betroffenen.
© Pexels/Cottonbro Studio
Das Konto ist überzogen, der Briefkasten quillt über vor Mahnungen und die Rechnungen stapeln sich. Solche Szenarien sind für viele Menschen bittere Realität. Sei es mit den „Buy now, pay later“-Finanzierungen, die sich bei Onlineeinkäufen geradezu aufdrängen, reizvollen Ratenzahlungen oder durch Überziehung des Bankkontos – die Verlockungen der Konsum- und Kreditgesellschaft sind heutzutage riesig.
Auch immer mehr junge Menschen geraten in finanzielle Schieflagen. Ab wann Schulden problematisch werden und wie man sich Hilfe suchen kann, berichtet uns Thomas Pachl von der Schuldenberatung Tirol.
Vielschichtig
Jährlich werden ungefähr 55.000 Personen in Österreich durch eine staatlich anerkannte Schuldenberatung unterstützt, so Pachl. Gründe dafür, dass sich Personen verschulden, gäbe es dabei viele. Meistens würden dabei zwei bis drei Ursachen zusammenkommen.
Auf der einen Seite ständen berufliche Aspekte, wie der Verlust der Arbeit oder eine gescheiterte Selbstständigkeit: „Eine Einkommensverschlechterung oder ein Jobwechsel machen ungefähr 30 Prozent der Schulden unserer Klient:innen aus.“ Auf der anderen Seite ständen Scheidung, Trennung, Unterhaltsverpflichtungen oder kostspielige Anschaffungen.
Aber auch scheinbare Kleinigkeiten, wie vergessene Rechnungen oder unerwartete Ausgaben, können dazu führen, die eigenen finanziellen Mittel zu überfordern. In den letzten Jahren seien außerdem Ratenzahlungen und Dienstleistungen von Unternehmen wie Klarna immer beliebter geworden. „Prestige-Produkte sind sehr angesagt. Insbesondere junge Menschen, die keine finanzielle Unterstützung aus der Familie bekommen können, sind gefährdet, sich mit Ratenkäufen zu überschulden“, warnt Pachl.
Existenzangst
Auch bei Leon (Name von der Redaktion geändert) führten mehrere Gründe zu einer finanziellen Notlage. Der Innsbrucker rutschte nach einem tragischen Familienereignis mit darauffolgendem Jobverlust in Depressionen und überzog in dieser Zeit sein Konto immer weiter: „Ich habe schon gemerkt, dass ich mehr Geld ausgebe, als ich hatte. Aber mir ist ehrlich gesagt nicht aufgefallen, wie sehr ich da eigentlich schon im Minus war“, erzählt er uns.
„Vier oder fünf Monate später hatte ich dann auf einmal um die 6.000 Euro Schulden – das ging schneller, als ich schauen konnte.“ Durch einen Umzug in eine kleinere Wohnung mit geringerer Miete, einen neuen Job und die Unterstützung enger Familienmitglieder konnte der 30-Jährige seine Schulden nach und nach abbauen. „Ich habe mich nur noch darauf konzentriert, die Schulden tilgen zu können. Die Existenzangst in dieser Zeit war natürlich enorm“, so Leon.
Problemspirale
Schuldenprobleme sind für Betroffene in den meisten Fällen eine große Belastung und führen zu Einschränkungen in der Lebensqualität: Nicht nur wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung können die Folge sein, auch gesundheitliche oder psychische Probleme schleichen sich schnell ein. „So kann eine Problemspirale beginnen, die man ohne fachliche Unterstützung kaum noch stoppen kann“, erklärt Pachl.
Das kann auch Alexandra (Name von der Redaktion geändert) bestätigen. Ähnlich wie bei Leon führte ein traumatisches Ereignis dazu, dass sie ihrer Selbstständigkeit nicht mehr nachgehen konnte. Heute hat die Tirolerin knapp 75.000 Euro Schulden: „Mich belastet die Situation psychisch sehr.
Ich habe das Gefühl, versagt zu haben und habe Schuldgefühle den Menschen gegenüber, die versuchen, mich zu unterstützen.“ Um den Schuldenberg abzubezahlen, versuche sie zu sparen, wo es nur geht und sich im Alltag einzuschränken, jedoch würden ihr durch die Stigmatisierung oft Steine in den Weg gelegt werden: „Ich kämpfe weiter ums Überleben – Tag für Tag.“
Tabuthema Geld & Schulden
Da das Thema Geld und Schulden meist mit Scham behaftet ist, würden viele Menschen erst sehr spät bei der Schuldenberatung Hilfe suchen, erklärt Pachl: „Erst wenn Ernüchterungen über die eigene Situation entstehen oder ein:e Exekutor:in vor der Haustür steht, melden sich manche bei uns an.
Viele Betroffene möchten sich eine Überschuldung aus Scham nicht eingestehen und zahlen doppelt und dreifach – wir können jedoch gute Möglichkeiten zur Schuldenregulierung anbieten.“ Der Experte rät im Fall der Fälle, nicht zu lange damit zu warten, die Hilfe einer professionellen Schuldenberatung in Anspruch zu nehmen. „Wenn der Überziehungsrahmen beim Gehaltskonto nicht mehr eingehalten werden kann, wenn mehrere monatliche Raten das Budget belasten oder wenn Inkasso- oder Gerichtsbriefe einlangen, dann sollte Beratung angefordert werden“, empfiehlt Pachl.
Viele Betroffene gestehen sich die eigene Überschuldung aus Scham nicht ein.
Thomas Pachl, Schuldenberatung Tirol
Die Schuldenberatung bietet verschiedene Lösungsansätze wie Ausgleich oder Privatkonkurs, um Schulden zu regulieren und Menschen bei der Bewältigung ihrer finanziellen Situation zu unterstützen. Auch Alexandra möchte anderen Menschen Mut machen, über ihre Situation zu sprechen und sich Hilfe zu holen: „Redet darüber und holt euch rechtzeitig Hilfe. Irgendwann ist der Sumpf so tief, dass man kaum noch allein rausfindet.“
Sie selbst habe ihre Schulden aufgrund von Scham viel zu lange totgeschwiegen und wünscht sich, dass andere solche Situationen durch ihre Geschichte vermeiden können: „Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten“, gibt sie Betroffenen abschließend mit auf den Weg.
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MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS:
Tjara-Marie Boine ist Redakteurin für die Ressorts Business, Leben und Kultur. Ihr Herz schlägt für Katzen, Kaffee und Kuchen. Sie ist ein echter Bücherwurm und die erste Ansprechpartnerin im Team, wenn es um Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung geht.