Was Frau sein kostet: Lea Joy Friedel im Gespräch

Alltag mit Aufpreis: Was es kostet, eine Frau zu sein

Über finanzielle Ungerechtigkeiten, Tabus und den Mut, unbequem zu sein: ein Gespräch mit Lea Joy Friedel über ihr neues Buch und den Vollzeitjob, Frau zu sein.

8 Min.

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Ob beim Friseurbesuch, bei dem nach Geschlecht und nicht nach Haarlänge unterschieden wird, der pinke Rasierer, der deutlich teurer als sein blaues Gegenstück ist, Menstruationsprodukte, auf die wir monatlich angewiesen sind, oder das Taxi, das wir rufen, um abends nicht alleine in der Dunkelheit nach Hause laufen zu müssen – Frauen tragen oft eine finanzielle Last im Alltag, die sich unbemerkt summiert. Diese Mehrkosten sind nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch ein Spiegelbild gesellschaftlicher Strukturen, die Frauen leider immer noch benachteiligen.

Was es kostet, eine Frau zu sein.

Frauen verdienen ohnehin weniger: Der Gender Pay Gap sorgt dafür, dass wir oft weniger Geld zur Verfügung haben als Männer – eine Diskrepanz, die sich durch die höheren Kosten für Produkte und Dienstleistungen zusätzlich verschärft. Diese doppelte Benachteiligung zeigt, wie dringend es ist, ökonomische und gesellschaftliche Strukturen kritisch zu hinterfragen.

In ihrem neuen Buch „Too much! Was es kostet, eine Frau zu sein“ nimmt die Autorin Lea Joy Friedel diese Thematik genauer unter die Lupe. Sie beleuchtet die finanziellen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen Frauen täglich ausgesetzt sind, und zeigt auf, wie tief verwurzelte Ungerechtigkeiten viele sowohl persönlich als auch wirtschaftlich zurückhalten. Ein Gespräch über Preisdiskriminierung, unsichtbare Arbeit und warum ein Umdenken im Arbeitsalltag längst überfällig ist.

Was Frau sein kostet: Lea Joy Friedel im Gespräch
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Ihr Buch beginnt mit der Aussage: „Frau sein ist ein Vollzeitjob.“ Können Sie genauer erläutern, welche finanziellen und gesellschaftlichen Mehrlasten Frauen in ihrem Alltag tragen?

Lea Joy Friedel: Ich denke, es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass es einen Gender Pay Gap gibt. Frauen verdienen weniger, selbst bei gleicher Arbeit, und arbeiten oft in Berufen, die systematisch unterbewertet werden – wie Pflege oder soziale Arbeit. Diese Berufe sind weiblich konnotiert, drehen sich um Kümmern und Fürsorge und werden entsprechend schlechter bezahlt.

Hinzu kommen höhere Ausgaben für geschlechtsspezifische Produkte und Dienstleistungen, wie Periodenprodukte oder Friseurbesuche, die häufig nach Geschlecht und nicht nach Leistung oder Zeitaufwand berechnet werden.

Außerdem leisten Frauen einen Großteil der unbezahlten Care-Arbeit, sei es in der Kinderbetreuung oder bei der Pflege von Angehörigen. Oft übernehmen Schwiegertöchter im Alter die Pflege der Eltern des Partners, nicht die Söhne. Diese Belastungen summieren sich und machen Frausein zu einem Vollzeitjob.

Frauen verdienen also im Schnitt weniger, zahlen aber mehr – für Verhütung, Menstruation, Care-Arbeit und sogar Sicherheitsmaßnahmen wie Taxis oder Selbstverteidigungskurse. Welche dieser Ungerechtigkeiten hat Sie während Ihrer Recherche am meisten überrascht?

Eine Studie, die ich gefunden habe, hat mich besonders überrascht. Sie hat untersucht, wie unterschiedlich Preise für Frauen und Männer sind. Bei 50 Prozent der getesteten Produkte und Dienstleistungen mussten Frauen mehr bezahlen – nur bei neun Prozent war es andersherum. Diese Preisunterschiede beginnen schon sehr früh: Als ich meinen Kindern einen Badezusatz kaufen wollte, war der Prinzessinnen-Badezusatz für Mädchen deutlich teurer als der Piraten-Zusatz für Jungs.

Ein weiteres Thema, das mich sehr beschäftigt hat, ist die Verhütung. Frauen tragen oft die alleinige Verantwortung, da sie die körperlichen Folgen einer Schwangerschaft tragen würden. Sie übernehmen die finanzielle und organisatorische Last, sei es durch Zyklustracking, die Pille oder andere
hormonelle Alternativen. Viele Männer ziehen sich dabei völlig aus der Verantwortung.

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Warum glauben Sie, ist es so schwer, diese geschlechtsspezifischen Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen und zu bekämpfen?

Ein großes Problem ist, dass viele dieser Themen tabuisiert sind. Über Menstruation, Wechseljahre oder die Erholung nach Geburten wird kaum gesprochen, obwohl sie Frauen massiv betreffen. Zudem ist Diskriminierung oft still. Sie ist nicht immer laut oder offensichtlich, sondern passiert im Alltag. Ein Beispiel ist, dass Frauen in Meetings häufiger unterbrochen werden oder ihre Vorschläge weniger ernst genommen werden. Solche Muster zu erkennen, erfordert Sensibilität und den Willen, die eigenen Vorurteile zu hinterfragen.

Diskriminierung ist oft still. Sie ist nicht immer laut oder offensichtlich, sondern passiert unsichtbar im Alltag.

Lea Joy Friedel, Autorin

Die Schönheitsindustrie vermarktet das Gefühl von „Fehlerhaftigkeit“ bei Frauen und erzielt damit Milliardenumsätze. Gibt es Zahlen dazu, wie viel Frauen weltweit jährlich für Beauty-Produkte und -Dienstleistungen ausgeben?

Laut dem Beauty-Report von 2023 ist die Kosmetikindustrie weltweit über 500 Milliarden Dollar wert und wird voraussichtlich bis 2027 auf 580 Milliarden steigen. Frauen geben aktuell durchschnittlich 313 US-Dollar pro Monat für Kosmetik und Beauty-Produkte aus. Interessanterweise liegen Männer gar nicht so weit dahinter mit 244 US-Dollar pro Monat. Trotzdem ist klar, dass Frauen das Rückgrat dieser Industrie bilden. Das fällt besonders im Anti-Aging-Bereich auf: Das Aussehen von Frauen wird gesellschaftlich oft mit ihrem Wert verknüpft, was die Schönheitsindustrie sehr geschickt ausnutzt.

In Ihrem Buch sprechen Sie auch von den gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen, wie zum Beispiel das sogenannte „Good Girl“-Syndrom. Können Sie erklären, was Sie darunter verstehen und wie Frauen sich davon lösen können?

Das „Good Girl“-Syndrom beschreibt die People-Pleasing-Mechanismen, die viele Frauen von klein auf erlernen. Es geht darum, immer gemocht werden zu wollen, Harmonie zu wahren und sich anzupassen. Viele Frauen lächeln gezwungen, entschuldigen sich für Dinge, die gar nicht ihre Schuld sind, und suchen am Ende eines Gesprächs Bestätigung. Das hält sie oft davon ab, ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen oder unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Sich davon zu lösen, bedeutet, den Mut zu haben, anzuecken und auszuhalten, dass man nicht immer gemocht wird.

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Wie können Männer Frauen in ihrem Alltag besser unterstützen und echte Verbündete werden?

Männer können vor allem zuhören, fragen und reflektieren. Sie sollten bereit sein, eigene Privilegien und Vorurteile zu hinterfragen. Auch kleine Gesten können viel bewirken – zum Beispiel, Frauen in Meetings ausreden zu lassen oder aktiv nach ihrer Meinung zu fragen. Wichtig ist, dass sie im Alltag aufmerksam sind und sich immer weiterbilden. Es geht nicht darum, die „perfekte Feministin“ zu sein, sondern ehrlich zu reflektieren und Verantwortung zu übernehmen.

Ein großes Thema in Ihrem Buch ist auch die finanzielle Selbstständigkeit von Frauen. Sie plädieren dafür, dass Frauen offener über Geld sprechen sollten. Warum ist das so wichtig?

Geld ist immer noch ein Tabuthema, besonders für Frauen. Viele von uns sind damit aufgewachsen, dass man über Geld nicht spricht, und das wirkt sich bis ins Erwachsenenalter aus. In Gehaltsverhandlungen haben Frauen oft das Gefühl, sie bitten um einen Gefallen, statt zu fordern, was ihnen zusteht. Offen über Geld zu sprechen – mit Kolleg:innen, Freund:innen oder in der Familie – ist wichtig, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was angemessen ist und wie viel wir wirklich wert sind.

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Was müsste sich politisch und gesellschaftlich ändern, damit Frauen entlastet werden und eine gerechtere Welt entsteht?

Politisch müssten wir die Misogynie in unseren Strukturen angehen. Solange Frauen in den Parlamenten unterrepräsentiert sind und viele Entscheidungen aus einer männlichen Perspektive getroffen werden, wird sich wenig ändern. Es braucht Frauen in Machtpositionen, die die Themen auf die Agenda setzen, die uns betreffen.

Auch gesellschaftlich müssen wir Tabus brechen. Themen wie Periode, Wechseljahre oder auch die Erholung nach Geburten sind immer noch mit Scham behaftet. Das macht es schwer, offen darüber zu sprechen und Unterstützung einzufordern. Gleichzeitig müssen wir die Erwartungen an Frauen hinterfragen – sei es die ständige Verfügbarkeit für Care-Arbeit oder die unrealistischen Schönheitsideale, die uns auferlegt werden.

Zum Abschluss: Welche Botschaft würden Sie Ihren Leser:innen gerne mit auf den Weg geben?

Habt Mut, die Wahrheit zu sagen. Sie ist oft unbequem, aber sie bringt uns weiter. Es ist okay, anzuecken und unbequeme Themen anzusprechen. Nur so können wir echte Veränderungen erreichen – in unserem Leben und gesellschaftlich. Wenn wir aufhören, uns an veraltete Rollenbilder anzupassen, und anfangen, unsere Stimmen zu erheben, dann schaffen wir die Grundlage für eine gerechtere Welt.

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Mehr zur Autorin dieses Beitrags:

Kultur-Redakteurin Tjara-Marie Boine bei der TIROLERIN
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Tjara-Marie Boine ist Redakteurin für die Ressorts Business, Leben und Kultur. Ihr Herz schlägt für Katzen, Kaffee und Kuchen. Sie ist ein echter Bücherwurm und die erste Ansprechpartnerin im Team, wenn es um Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung geht.

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