Feminismus im Wandel: 4 Frauen mit Schildern in der Hand mit feministischen Aufschriften: Girls Power, No Sexism, I am more than my Body, My Body my rules

Feminismus im Wandel

Im Gespräch mit Historikerin Dr. Sabine Veits-Falk über die Entwicklung des Feminismus in Österreich

6 Min.

© Pexels/Olia Danilevich

Vor 170 Jahren schlossen sich Frauen in Österreich in Vereinen zusammen. Was folgt, ist Geschichte und prägt den Feminismus und unsere Haltungen bis heute: Erstreiten des Frauenwahlrechts, erste Emanzipation am Arbeitsplatz, Klären von Rollenverteilungen …

Wie hat sich der Feminismus in Österreich über die Jahre hinweg entwickelt? Welche zentralen Persönlichkeiten gibt es und was können wir von ihnen lernen? Historikerin Dr. Sabine Veits-Falk, im Gespräch.

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Wie ist Feminismus überhaupt entstanden und welchen Auslöser gab es für die Gründung des ersten Frauenvereins in Österreich?
Der Begriff Feminismus, so wie wir ihn heute kennen, taucht erst seit den 1890er-Jahren in Frankreich auf. Bei uns in Österreich allerdings erst seit der zweiten Frauenbewegung in den 1970er-Jahren. Die Geschichte des Feminismus des 19. Jahrhunderts begann mit der bürgerlichen Revolution 1848 als Auslöser. Es wurden eine Verfassung, Pressefreiheit und das Wahlrecht gefordert. Hier gab es erstmals auch Frauen, die sich dafür eingesetzt haben, dass beim Wahlrecht auch Frauen berücksichtigt werden sollten. Denn wie können Bürger:innen ein allgemeines Wahlrecht wollen, wenn die Hälfte der Menschen ausgeschlossen wird?, haben sie erkannt.

Feminismus im Wandel: Schwarz Weiß Bild einer Feminismus-Demo in Salzburg für mehr Rechte und Gleichheit
© Stadtarchiv Salzburg

Diesen Prozess für die Gleichheit mussten Frauen im Laufe der Zeit immer wieder durchsetzen. Wie entwickelte sich der Feminismus bis heute?
Feminismus hängt natürlich immer stark von den politischen Konstellationen ab. Frauen im Bürgertum hatten damals keine Möglichkeit zur berufsqualifizierenden Ausbildung und so kam etwa ab den 1870er-Jahren die Forderung nach Zugang zu Bildung und Berufsausübung. In Österreich entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts eine Frauenstimmrechtsbewegung, 1918 wurde das Frauenwahlrecht eingeführt.

Während der NS-Zeit war das Frauenbild antifeministisch geprägt, nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sich viele Frauen wieder in die Privatheit der Familie zurückdrängen. Ab 1970 begann die sogenannte „Zweite Frauenbewegung“, hier ging es um die Opposition zu von Männern dominierter Politik, die Befreiung von patriarchalen Lebensbedingungen und das Infragestellen gesellschaftlicher Strukturen, in denen Frauen diskriminiert und benachteiligt wurden. Diese Frauenbewegung mündete 1990 in eine Institutionalisierung. Endlich gab es staatlich geförderte Einrichtungen, in denen sich Frauenrechte durchsetzten. Seit den 2000er-Jahren spricht man auch von einer dritten Welle oder von „Postfeminismus“, bei dem es verschiedene Formen gibt.

Das heißt, es gibt eigentlich nicht den einen Feminismus?
Der eine existiert nicht. Bereits im 19. Jahrhundert gab es innerhalb der Frauenbewegung verschiedene Richtungen. Es gab eine bürgerlich-konservative Richtung, eine bürgerlich-radikale Richtung und die sozialdemokratisch-proletarische Richtung. Den bürgerlich-konservativen Frauen war es wichtig, dass sie auch das Wahlrecht bekommen, allerdings innerhalb des bestehenden Systems. Das heißt, ein Wahlrecht, das von Besitz und Steuerleistung abgeleitet ist. Oder Zugang zu Bildung, aber nicht unbedingt zu allen Studienrichtungen. Man kann also sagen: gleichberechtigt, aber nicht unbedingt gleich.

Das bezeichnet man auch als Differenzfeminismus. Dann gibt es noch den bürgerlich-radikalen Feminismus, hier fordert man absolute Gleichheit, also gleiches Wahlrecht für Männer und Frauen, gleichen Bildungszugang und so weiter. In der sozialdemokratisch-proletarischen Richtung wollte man mehr Rechte und Freiheiten durchsetzen und hat dafür eine Änderung der Gesellschaft gefordert. Hier sieht man schon, wie viele unterschiedlichen Zugänge es damals bereits gab. Diese gibt es heutzutage ebenfalls, wie Radikalfeminismus, Ökofeminismus, Queerfeminismus und viele mehr.

Was bedeutet intersektionaler Feminismus?
Das bedeutet eine mehrfache Diskriminierung, die beispielsweise nicht nur auf das Geschlecht bezogen ist, sondern zusätzlich auch wegen der Hautfarbe, einer Beeinträchtigung und/oder einer anderen sexuellen Orientierung.

Welche herausragende Persönlichkeit fällt Ihnen in Bezug auf die Frauenbewegung ein?
Irma von Troll-Borostyáni gilt bis heute als die erste Salzburger Frauenrechtlerin. In den 1870er-
Jahren hat sie bereits die großen Frauenthemen angesprochen und aufgegriffen, wie die Gleichstellung und gleichen Zugang zu Bildung. Sie forderte auch eine Gleichstellung in der Partnerschaft und Ehe ein. Eine Ehe sollte auch auflösbar sein. Sie forderte zudem, dass sich Ehepartner:innen auf Augenhöhe miteinander austauschen. Sie setzte sich für das Frauenwahlrecht ein. Als eine der ersten Frauen sprach sie auch das Thema Prostitution an. Sie trug Männerkleidung nicht, weil sie ein Mann sein wollte, sondern sie bezeichnete sie als ihre „weibliche“ Kleidung und provozierte in ihrer Zeit natürlich damit nach außen.

Was können wir von diesen Persönlichkeiten lernen?
Frauen wie Irma von Troll-Borostyáni haben unglaublich engagiert und beharrlich ihr Ziel verfolgt. Sie hatten es bestimmt nicht leicht, da sie oft mit ihren Ideen aneckten. Was man sicherlich lernen kann, ist, dass man sich nicht abbringen lässt, wenn man von etwas überzeugt ist. Man sollte aber auch versuchen, nicht intolerant zu werden, wenn man nur in eine Richtung blickt, aber im Endeffekt ist es wichtig, dass man auf Themen wie Ungerechtigkeit und Benachteiligung in der Gesellschaft hinweist. Man sollte nicht darauf warten, bis sich etwas ändert, sondern selbst aktiv werden und sich für eine Idee einsetzen.

Auf dem Bild ist ein Plakat einer Frauenrecht-Demo zu sehen. "Freche Frauen in den Salzburger Gemeinderat"
Plakat „Freche Frauen“ – Freche Frauen in den Salzburger Gemeinderat © Salzburger Stadtarchiv


Welche Aktionen von Frauenbewegungen gab es beispielsweise in Salzburg, um auf Diskriminierung aufmerksam zu machen?
Es gab beispielsweise in den 1990ern die „Matratzendemo“ vor dem Schloss Mirabell, um auf die unerträglichen Wohnverhältnisse von Frauen aufmerksam zu machen. Dabei wurden billigere Wohnungen für Frauenhausbewohnerinnen gefordert, um misshandelten Frauen und ihren Kindern eine menschenwürdige Unterkunft bieten zu können. Schließlich gelang es, 1992 ein neues, größeres Haus zu finden.

Stichwort Sprache: Was bringt Gendern auf dem Weg zur Gleichberechtigung?
Sehr viel, weil das generische Maskulinum, bei dem Frauen mitgemeint sind, Frauen eigentlich unsichtbar macht. Es gibt viele Studien, die belegen, dass sich Frauen viel weniger angesprochen fühlen, wenn nur die männliche Form verwendet wird. Sprache schafft Bewusstsein. Wenn ich aber gendergerecht formuliere, schaffe ich ein anderes Bewusstsein und eine andere Realität. Gendern gab es übrigens bereits ansatzweise im 16. Jahrhundert und ist keine Neuerscheinung.

Feminismus im Wandel: Portraibild von Historikerin Dr. Sabine Veits-Falk
Historikerin Dr. Sabine Veits-Falk im Gespräch über Feminismus im Wandel. © Privat

Es gibt nach wie vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Geschlechtsidentität. Was kann jede:r Einzelne von uns tun?
Man sollte aufzeigen, dass die Vorstellung von Weiblichkeit und Männlichkeit nichts Starres ist. Sie sind nicht in Stein gemeißelt und man sollte sie für sich hinterfragen. Geschlecht darf einfach keine Barriere sein und berufliche wie soziale Möglichkeiten sollten für jede und jeden offen sein. Diese Geschlechtergrenzen gilt es, abzubauen.

MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS

Elisabeth Trauner
© Privat

Elisabeth Trauner ist Redakteurin bei Unser SALZBURG und mit Stift, Block und Herz immer zur Stelle, wenn Menschen spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hört Podcasts, braucht Krimis und True Crime-Dokus zum Einschlafen und probiert gerne neue Kochrezepte aus, die aber meistens komplett schief gehen.

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