Tiercafés

Tiercafés auf dem Prüfstand: Wie tierfreundlich sind sie wirklich?

Aus mit dem Flausch

7 Min.

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Zwischen Kommerz und Tierliebe laden Tiercafés wie etwa Katzencafés & Co. zu tierischen Begegnungen in Kaffeehausatmosphäre ein. Doch wie hoch ist der Preis für die Vierbeiner?

Es scheint ein perfektes Szenario: Ein ruhiger Nachmittag in einem Café, umgeben von Tieren, die zwischen den Tischen und Stühlen umherflitzen, spielen und sich an die Beine schmiegen, während man das ein oder andere Heißgetränk genießt und dabei in die treuen Augen eines Vierbeiners blickt. Wer sich damit genauer auseinandersetzt, dem wird schnell klar, dass der Trend auch seine Risiken mit sich bringt.

Denn trotz des Kuschelpotenzials steckt in der Kombination von Tieren und Gastronomie eine ganze Reihe an Herausforderungen. Tierwohl ist längst nicht in jedem Café garantiert, und das, was zunächst nach einem tierischen Paradies aussieht, kann sich für die Vierbeiner als stressig und belastend herausstellen.

Tiercafés zwischen Kommerz und Tierliebe
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Sind Tiercafés ein fragwürdiger Trend?

Von Asien aus hat sich der Trend der Tiercafés über die letzten Jahre auch in Europa ausgebreitet. In Ländern wie Japan und Südkorea gibt es neben klassischen Hunde- und Katzencafés auch Orte, an denen Besucher:innen mit Wildtieren wie Igeln, Waschbären oder sogar Eulen kuscheln können sollen. Tierschützer:innen kritisieren dies scharf und warnen davor, dass gerade exotische Tiere in Cafés häufig unter mangelnder artgerechter Haltung leiden. „Für solche Einrichtungen eignen sich, wenn überhaupt, nur domestizierte Tierarten“, meint Stephan Scheidl von Tierschutz Austria. Aber auch die Bedürfnisse von Hunden, Katzen & Co. können in einem Gastronomiebetrieb auf der Strecke bleiben.

Veronika Weissenböck von Vier Pfoten erklärt, dass es für Gäste, insbesondere für Kinder ohne Erfahrung im Umgang mit Tieren, schwierig ist, die Stresssignale der Tiere richtig zu deuten. Dies könne ein sicherheitsgefährdendes Umfeld für beide Seiten darstellen und das Risiko von Beißvorfällen erhöhen. Wenn Tiere wiederholt in überfordernde oder beängstigende Situationen geraten, könne dies außerdem langfristige Verhaltensstörungen zur Folge haben. Dauerhafter Stress ohne genügend Ruhephasen könne das Wohlbefinden der Tiere nachhaltig schädigen und zu gesundheitlichen Problemen führen.

Gescheiterte Idee

Auch in Wien sind die Trendcafés mit dem vermeintlichen Flauschfaktor längst angekommen. Hier erfreuen sich die zwei Katzencafés Neko und Barista Cats großer Beliebtheit. Hundeliebhaber:innen blieben bislang auf der Strecke, doch das sollte sich Ende letzten Jahres mit einem Corgi-Café ändern. Das Konzept stieß allerdings schnell an seine Grenzen. Nach nur vier Wochen musste das im Dezember 2024 eröffnete Corgi-Café im zweiten Bezirk seine Türen schließen.

Corgi Café
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Laut dem Kurier gaben die Betreiber:innen auf Instagram „zu viele Hürden“ als Grund für das überraschende Aus an. Die Schließung sei aber eine private Entscheidung gewesen. Die Social-Media-Accounts des Cafés mit dem Statement wurden bereits gelöscht. Liest man sich die Kommentarspalten zur Schließung auf Instagram durch, berichten Besucher:innen von gestressten Hunden, Platzmangel und zu wenig Rückzugsmöglichkeiten. Auf unsere Anfrage zur Stellungnahme reagierten die Betreiber:innen des Corgi-Cafés nicht. Über die wahren Gründe der Schließung kann man also bislang nur spekulieren. Stephan Scheidl von Tierschutz Austria vermutet ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Hygiene, Sicherheit, Tierwohl und die Versorgung der Tiere dürften letztendlich für die Schließung verantwortlich sein.

Problematische Qualzucht

Insbesondere die Nutzung von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen – dazu gehören auch Corgis – stellt aus ethischer Sicht eine enorme Problematik dar. Laut der Tierschutzorganisation PETA leiden Corgis aufgrund ihrer kurzen Beine und dem langen Oberkörper oftmals unter zuchtbedingten körperlichen Beschwerden wie Rückenproblemen und Hüftfehlstellungen. „Viele Menschen sind sich der Problematik von Qualzucht und ihren Folgen nicht bewusst und wählen Tiere oft nach ihrem „Trend“- oder „Niedlichkeitsfaktor“. „Alle Cafés, die solche Tiere bewerben und nicht ausreichend über diese Problematik aufklären, sind daher aus Tierschutzsicht ganz klar abzulehnen“, betont Veronika Weissenböck von Vier Pfoten.

Erfolgsgeschichte

Dass der Betrieb eines Tiercafés durchaus funktionieren kann und sowohl für die vierbeinigen Bewohner als auch für die Gäste bereichernd sein kann, zeigt das Katzencafé Barista Cats im Bezirk Neubau.

Man muss die individuelle Persönlichkeit der Tiere in den Fokus rücken.

Stephan Scheidl, Tierschutz Austria

Für Natascha Bergmann, Betreiberin des Cafés, hat nicht nur das Wohl ihrer sechs Katzen oberste Priorität, auch Tierschutz liegt ihr am Herzen: „Von Anfang an war es mir wichtig, dass Barista Cats nicht nur ein Katzencafé, sondern auch ein Ort mit sozialem Mehrwert ist. Daher kooperieren wir eng mit Tierschutz Austria. Ich selbst bin eine große Befürworterin davon, Katzen aus dem Tierschutz aufzunehmen, statt sie von Züchter:innen zu beziehen – besonders in einer Zeit, in der Tierheime in Österreich überfüllt sind. In unserem Katzencafé habe ich bewusst darauf verzichtet, die Tiere selbst auszusuchen. Stattdessen habe ich diese Entscheidung den Expert:innen von Tierschutz Austria überlassen, die die individuellen Bedürfnisse der Tiere besser beurteilen können. Dieser Ansatz hat dazu beigetragen, dass die Tiere, die heute bei uns leben, sich wohlfühlen und gerne Teil der Caféatmosphäre sind. Unsere Katzen haben insgesamt vier Rückzugsbereiche, die ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden.

Barista Cats
© Moritz Günther

Barista Cats soll eine Ruheoase sein, in der die Gäste den stressigen Alltag hinter sich lassen und die Zeit mit den Katzen bewusst genießen können.“ Auch finanziell unterstützt Barista Cats den Tierschutz: „20 Cent pro verkauftes Getränk spenden wir an Tierschutz Austria, und es gibt eine Spendenbox in unserem Café. So konnten wir im letzten Jahr fast 10.000 Euro sammeln.“

Barista Cats
© Moritz Günther

Strikte Standards

Um ein Tiercafé betreiben zu können, muss eine Vielzahl an hygienischen und räumlichen Anforderungen erfüllt werden. Auch eine Schulung des Personals ist landesweit verpflichtend.

Kein Tier darf für den schnellen Sensationseffekt in eine Situation gebracht werden, die sein Wohlergehen gefährdet und seinen natürlichen Bedürfnissen widerspricht.

Veronika Weissenböck, Vier Pfoten

Obwohl die Gesetze in Österreich zu den strengsten weltweit gehören, gibt es laut Stephan Scheidl noch Verbesserungspotenzial: „Die Auflagen für gewerbliche Tierhaltung in Österreich sind sehr streng, was gut ist. Ob sich ein Tier wirklich für so eine Einrichtung eignet, wird jedoch nicht festgestellt. Das Veterinäramt kann nur Empfehlungen aussprechen, aber es fehlt ein rechtlicher Rahmen, der den Charakter oder die Eignung eines Tieres berücksichtigt. Genau wie wir Menschen haben Tiere unterschiedliche Charaktere. Manche lieben es, gestreichelt zu werden, und suchen die Nähe zu Menschen, andere wiederum ziehen sich eher zurück und fühlen sich in solchen Einrichtungen völlig fehl am Platz. Deshalb muss man die individuelle Persönlichkeit der Tiere immer in den Fokus rücken. Es muss auch möglich sein, Tiere aus der Einrichtung zu nehmen, wenn sie sich als ungeeignet erweisen.“

Tierfreundliche Alternativen zu Tiercafés

Inwiefern das Konzept von Tieren zum bloßen Vergnügen der Menschen in eine moderne ethische Gesellschaft passt, muss letztendlich individuell entschieden werden. Wer Bedenken hat, aber trotzdem Zeit mit Tieren verbringen möchte, kann auch auf Alternativen ausweichen.

Veronika Weissenböck: „Es gibt zahlreiche Tierheime, Auffangstationen und Gnadenhöfe in ganz Österreich, die einen respektvollen Umgang mit Tieren ermöglichen und sowohl Besucher:innen als auch ehrenamtliche Helfer:innen willkommen heißen. In einigen Tierheimen werden beispielsweise ‚Katzenstreichler:innen‘, Gassigeher:innen oder auch Kinder, die Tieren etwas vorlesen, gesucht. Der verantwortungsvolle Umgang mit Tieren sollte immer an erster Stelle stehen. Kein Tier darf für den schnellen Sensationseffekt in eine Situation gebracht werden, die sein Wohlergehen gefährdet und seinen natürlichen Bedürfnissen widerspricht. So kann sichergestellt werden, dass Tiere respektvoll behandelt werden und gleichzeitig die Möglichkeit besteht, sie auf eine artgemäße Weise zu erleben und zu verstehen.“

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Als Redakteurin der WIENERIN erkundet Laura Altenhofer gerne die neuesten Hotspots der Stadt. Besonders angetan hat es ihr jedoch die vielfältige Musikszene Wiens. Ob intime Clubkonzerte oder große Festivalbühnen – man findet sie meist dort, wo die Musik spielt.

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