Die deutsche Bundeskanzlerin trägt zu einer Opernaufführung einen Kimono, den sie schon dreimal zuvor getragen hat. Österreichischen Tageszeitungen ist das eine Meldung und die wiederum uns einen verdienten Fail der Woche für sexistische Berichterstattung wert.
Angela Merkel besucht die Salzburger Festspiele. Zur Aufführung der Oper "Idomeneo", wo man sich dem Anlass gemäß, wie man in Österreich so sagt, "schön anziehen muss", erscheint die deutsche Kanzlerin in einem Kimono. Doch halt, SKANDAL! Angela Merkel hat besagten Kimono bereits dreimal getragen. Vor 23 Jahren soll sie das Kleidungsstück in den USA gekauft und in den Jahren 2008, 2014 und 2017 bei den Festspielen getragen haben.
Österreichische Zeitungen sehen in Merkels Opern-Outfit eine berichtenswerte Meldung. Und das nicht zum ersten Mal – bereits 2017 fand der Kurier, dass Merkels Kimono "für Aufsehen sorge", wie das Frauen*volksbegehren auf seinen Kanälen kritisiert.
Spannenderweise fand der @KURIERat schon 2017 in fast denselben Worten, dass das "für Aufsehen sorgt": https://t.co/ME5u8HbaD5
— Frauen*volksbegehren (@frauenvb) August 7, 2019
Hallo Sexismus, serwas Lookismus!
Es sind "Aufreger" wie diese, die den Sexismus in unserer Gesellschaft weiter einzementieren. Ob ein Mann zwei- oder tausendmal den gleichen Anzug anhat, ist niemandem auch nur eine Zeile wert. Was zählt, ist, was der Mann tut - nicht, was er anhat. Eine Frau kann leisten, was sie will – am Ende schauen wir ganz genau hin, wie sie dabei aussieht. Und danach richten wir sie dann. So geschieht es auch mit Angela Merkel und ihrem Kimono.
In ihrer sexistischen und lookistischen Obsession mit Merkels Outfit, vergisst die Berichterstattung dabei das Einzige, was man tatsächlich über den 23 Jahre alten Kimono sagen könnte: Er ist eine ziemlich umweltbewusste Wahl. Will man unbedingt übers Aussehen reden, könnte man noch was von "Leichtigkeit" und "nachhaltigem Stilbewusstsein" sagen. Das wird mit keiner Silbe erwähnt. "Versteckspiel" urteilt der Kurier, wo besser "Applaus für diese ressourcenschonende Vintage-Entscheidung" stehen sollte.
Wir reden seit Jahren über Fast Fashion und Nachhaltigkeit, aber regen uns auf, wenn eine in der Öffentlichkeit stehende Frau es wagt, das gleiche Outfit mehr als einmal zu tragen. Nahezu Katastrophe, wenn sie es noch öfter trägt.
Wir tun seit den 1990ern so, als wären jetzt eh schon alle super gleichberechtigt und reduzieren Frauen immer noch auf ihr Aussehen. Auch wenn diese Frau seit beinahe vierzehn Jahren deutsche Bundeskanzlerin und eine der einflussreichsten Menschen der Weltpolitik ist. Wurscht, sie hat den Kimono schon dreimal getragen!!!
Was stimmt eigentlich nicht mit uns?
(Auflösung: Das Patriarchat.)
Zur Serie: Der Fail der Woche "zeichnet" regelmäßig besonders sexistische, frauenfeindliche und/oder rassistische Sager oder Internet-Fundstücke aus.
Die Fails vergangener Wochen:

Ein Fahrradblog gibt Tipps rund um Radtouren für Frauen und tut so, als hätten Frauen noch nie alleine das Haus verlassen, geschweige denn sich angestrengt. Unser Fail der Woche.

Die neue Werbekampagne von Palmers will eine Welt für Frauen schaffen, "die passt." Zumindest, solange diese Frauen Modelmaße haben. Unser verdienter Fail der Woche.

Die Bayerische Landesbank, die Werbeagentur Jung von Matt und Ronja von Rönne machen sich über Traumberufe von Kindern lustig.

Eine "resolute" Frau, die "ihr Leben dem Beruf gewidmet" hat. Der ORF reproduziert bei der Berichterstattung über Birgitte Bierlein Sexismen und Stereotypen.