Firmen wie Zalando, Xing, Sixt oder Fielmann haben ausdrücklich das Ziel ihre Vorstände auch weiterhin rein männlich zu belassen. Nein, kein Scherz.
Die deutsche Digitalbranche gibt sich ja gerne als besonders innovativ – zumindest in Interviews in Branchenmedien, bei Auftritten in Fernseh-Diskussionsrunden oder in Paneldiskussionen auf Marketing-Festivals, die alle irgendwas mit „digital“ heißen und sich mehr um Selbstbeweihräucherung als um Inhalte drehen. In Sachen Gleichberechtigung sind deutsche Unternehmen hingegen mehr als hinterwäldlerisch unterwegs.
Ziel: Frauenquote von Null Prozent
Der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten steigt zwar (*slow clap*), aber in Vorständen sitzen immer noch kaum Frauen. Einige deutsche Unternehmen – 53, um genau zu sein – wollen das scheinbar auch gar nicht. Das zeigt der Bericht „Die Macht hinter den Kulissen“ der gemeinnützigen deutsch-schwedischen AllBright-Stiftung, demzufolge der Anteil an Frauen in den Vorständen der 160 Börsenunternehmen bei 8,8 Prozent liegt. Die Stiftung weist im Bericht auch darauf hin, dass dieser Anteil in keinem anderen Industrieland so niedrig ist. Dazu kommt: Viele Aufsichtsräte wollen ausdrücklich keine Frauen im Vorstand haben.
Fortschrittlich? Ja, aber bitte nur bei den Angeboten
Rocket Internet, eines der untersuchten Unternehmen, etwa wirbt mit dem Slogan „Inkubation. Investition. Wachstum. Wir ermöglichen Unternehmertum“, und dem Versprechen, immer einen Schritt voraus zu sein. Aber Gleichstellung? Nein, wofür denn? Das ist ja sowas von 2022! *sarcasm off* Das ist nämlich jener Zeitpunkt, der aktuell für die sogenannte Zielgrößenverpflichtung gilt, das heißt: Börsennotierte Unternehmen müssen in Deutschland gewisse Ziele angeben, die sie bis 2022 erreichen wollen. Gesetzlich sind die Firmen verpflichtet, eben auch „eigene Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils“ anzugeben und damit ein Ziel zu setzen, wie viele Frauen sie bis dahin im Vorstand haben wollen. Der Schmäh an der Sache ist nur: Es ist kein Minimum vorgesehen. Und so steht in 53 Berichten der insgesamt 160 Unternehmen die Zielsetzung: Frauen = Null. Welche Firmen die rein aus Männern bestehenden Vorstandskonstellationen nicht ändern wollen, hat die AllBright-Stiftung im Bericht aufgelistet – darunter neben Rocket Internet auch Unternehmen wie Zalando, Xing, Freenet, HelloFresh, Fielmann und Sixt:

Männer fördern Männer
Für rund die Hälfte der 160 Unternehmen (je nach Größe des Unternehmens) gilt seit 2015 eine gesetzliche Geschlechterquote von 30 Prozent. Das führte dazu, dass inzwischen fast jedes dritte Aufsichtsratmitglied weiblich ist, was aber offensichtlich keinen Einfluss auf die Geschlechterverhältnisse in Vorständen hat. Das liegt laut dem Report der Stiftung daran, dass Aufsichtsrätinnen nicht in den Nominierungsausschüssen der Gremien sitzen. Diese Ausschüsse sind aber jene, die Macht und Einfluss haben. So befördern Männer nach alten Mustern eher Kopien von sich selbst.
Die „Erklärungen“ für das Null-Prozent-Ziel sind ein Witz
Und so kommt es, dass die Würstelparty in Deutschlands Vorständen scheinbar noch länger anhalten wird. Die „Erklärungen“ hierfür von Seiten der begutachteten Unternehmen sind ein Witz: So soll etwa der Vorstand von Freenet rein männlich bleiben, weil „bei der Neubestellung von Vorstandsmitgliedern im Jahr 2018 (…) der Aufsichtsrat die Kandidaten in den Vorstand berufen hat, die insbesondere aufgrund ihrer (...) Kenntnisse und Fähigkeiten am besten geeignet waren.“ Und eine Frau hat scheinbar nicht genügend Kenntnisse und Fähigkeiten, um mit einem Ingo, Antonius oder *hier beliebigen deutsch Männernamen einsetzen* mitzuhalten. NOT. (Dass das Bullshit ist und Posten in Aufsichtsräten viel zu oft über Freunderlwirtschaft vergeben werden, erklärt Josef Fritz, Inhaber von Board Search, einer auf die Vermittlung von Aufsichtsräten spezialisierten Personalagentur HIER und HIER.) Auch Zalando wendet „ein spezielles Diversitätskonzept für die Zusammensetzung (…) zurzeit nicht an“. Oliver Samer von Rocket Internet bezeichnet sich selbst als „aggressivster Typ im Internet“, neben dem scheinbar kein Platz für Frauen ist, denn auch bei Rocket Internet „tritt das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Erhöhung des Frauenanteils aus Sicht des Aufsichtsrats (…) hinter das vorrangig geltende Unternehmensinteresse an der Fortführung der erfolgreichen Arbeit.“ Und bei Scout24 soll die Afterhour der Würstelparty überhaupt gleich bis 2024 dauern, wie es im Geschäftsbericht heißt. Na dann: Happy Feiern in eurem All-Boys-Club! Wir planen inzwischen eine Parallelveranstaltung.
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